Aspekte der Festungs- und Lagergeschichte von Ingolstadt kurz zusammen gefasst
Ob historische und ideengeschichtliche Aspekte zum Standort Ingolstadt in der Debatte um die „ANKER-Zentren“ überhaupt wahrgenommen werden sollen, oder ob man sie besser ganz ausklammern sollte, da sie sehr polarisierend wirken, ist eine Frage für sich. Die Festungs- und Lagergeschichte von Ingolstadt ist in jedem Fall einer Beschäftigung wert.
Wie seinerzeit das erste Abschiebelager für sogenannte "Ostjuden" ist auch das Transitzentrum in der Max-Immelmann-Kaserne, das eine "Blaupause" für die im Koalitionsvertrag genannten Ankerzentren sein soll, im historischen Festungsring um Ingolstadt untergebracht. Die ehemalige Kaserne befindet sich auf dem Gelände des früheren Fort IX in der Gemeinde Manching.
Die Geschichte der Stadt, die 1537 zur „bayerischen Landesfestung“ ausgebaut wurde, ist stark geprägt von einer hohen wirtschaftlichen und ideengeschichtlichen Bedeutung der militärischen Konfrontation und Abwehr. In der Region wird Ingolstadt auch heute noch des Öfteren als „die Schanz" bezeichnet. Bauten des Festungsrings dienten der Abwehr und Abschreckung. Darüber hinaus wurden sie auch in verschiedenen Phasen der Geschichte für die Unterbringung und das Festhalten von Personen verwendet, die als Teil einer Bedrohung angesehen wurden.
Im Ersten Weltkrieg, wie schon zuvor im deutsch-französischen Krieg von 1870/71, wurde die Festung als Kriegsgefangenenlager genutzt. Unter den Gefangenen waren Truppenangehörige aus französischen Kolonien Afrikas. 1915 gab das Deutsche Reich darauf bezogene Ansichtskarten heraus, zum Zweck der Auslandspropaganda auch in französischer und spanischer Sprache. Diese vermittelten negative Völker-Stereotype. “Kulturbrüder” war ein typischer politisch-abwertender Kampfbegriff in der deutschen Propaganda. (Die Assoziation „Kulturbereicherer“ liegt nahe.)
1920 errichtete man im Fort Prinz Karl (dem einzigen heute noch erhaltenen Fort des Festungsrings) ein Lager, in dem unerwünschte "Ausländer", unter ihnen vor allem "Ostjuden", vor ihrer Ausweisung interniert wurden. Damit wurden nach Einschätzung des Historikers Dirk Walter (1999) judenfeindliche Stimmungen bekräftigt.
Wie oft bei Standorten mit einer ausgeprägten militärischen Geschichte mischen sich mit historischen und ideengeschichtlichen Aspekten auch kommunal- und regionalwirtschaftliche Fragen: Was tun mit den historisch gewachsenen, militärisch geprägten Strukturen, wie sollen diese wirtschaftlich genutzt werden?
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Es schleppen sich Gesetz und Rechte
wie eine ew’ge Krankheit fort.
Goethe im „Faust“ über staatlich
zementierte archaische Traditionen
wie eine ew’ge Krankheit fort.
Goethe im „Faust“ über staatlich
zementierte archaische Traditionen
Wie seinerzeit das erste Abschiebelager für sogenannte
"Ostjuden" ist auch das Transitzentrum in der Max-Immelmann-Kaserne,
das eine "Blaupause" für die im Koalitionsvertrag genannten
Ankerzentren sein soll, im historischen Festungsring um Ingolstadt
untergebracht. Im Folgenden habe ich einige Informationen zusammen gefasst, die
ich auf meinem anderen Blog in dem Post „Ingolstadt und Benschen“ Stück für
Stück in Ergänzungen (Kommentaren) unter dem Post zusammen getragen hatte. (S. https://guttmensch.blogspot.com/2018/09/ingolstadt-und-zbaszyn.html)
Der historische
Festungsring um Ingolstadt und seine Forts
Die Umschließung der Stadt mit einem dichten Ring von
Festungsbauten (Forts) stellt eine Besonderheit dar und hat eine bemerkenswerte
Geschichte.
Schon bei der ersten urkundlichen Erwähnung der Stadt, 806
in einer Urkunde Kaiser Karls des Großen, war Ingolstadt militärisch geprägt.
1537 begann der Ausbau der mittelalterlichen Stadtmauer zum Festungsring. Vor
die Stadtmauer wurde ein Erdwall mit vorgelagertem Graben gesetzt - auf ihn
sollten entsprechende Geschütze postiert werden. An bestimmten Eckpunkten der
Festung wurden Bastionen aufgemauert, von denen aus die benachbarten Wälle
durch flankierendes Feuer geschützt werden konnten. Im Dreißigjährigen Krieg
wurden auch südlich der Donau, am so genannten Brückenkopf, Festungsanlagen
errichtet. Der Festungsring wurde in der Zeit der napoleonischen Herrschaft
geschleift, jedoch ab 1828 wieder aufgebaut. Der Bau des ersten Festungsrings,
der „Hauptumwallung", beschäftigte über Jahrzehnte Tausende von
Menschen; es war die größte Staatsbaustelle
im Königreich Bayern.
Die Forts wurden mit Nummernzahlen (I bis X) bezeichnet und
in den 1880er Jahren z.T. zusätzlich nach Personen benannt. Nach dem 2.
Weltkrieg wurden die Forts des Festungsgürtels von der US Armee gesprengt, bis
auf eines. Erhalten blieb Fort Prinz Karl (Fort VI), Teil des dritten
Festungsrings und „eine in der Festungsbaukunst der Militärgeschichte
einzigartige Anlage“ mit einer bedeutenden „Denkmaleigenschaft“. Dieses wurde
zunächst als Waffenlager der Alliierten benutzt; seitdem wurde dort noch
vereinzelt Fundmunition entsorgt.
Heute gilt Ingolstadt für Experten als „ein lebendiges
Freilichtmuseum der Festungsbaukunst des 19. Jahrhunderts“.
Zusammengefasst aus: https://www.grossmehring.de/Fort-Prinz-Karl.o1298.html
Zusammengefasst aus: https://www.grossmehring.de/Fort-Prinz-Karl.o1298.html
Das Gelände des Fort IX bei Oberstimm wurde nach der
Zerstörung für die Neuerrichtung einer Bundeswehrkaserne
(Max-Immelmann-Kaserne) genutzt. Heute findet man nur noch geringe Reste des
ehemals größten Forts des äußeren Fortgürtels Ingolstadts.
Zitiert aus: http://www.festungingolstadt.de/befestigungne/polygonale/fortwerke.php
Ernst Aichner hat heraus gearbeitet: "Es war kein
geringerer als Bismarck, der ein Gespür dafür besaß, dass Festungsbau auch
etwas mit Psychologie zu tun hat, weil er ein gewisses Gefühl der Sicherheit
vermittelt."
Unter diesem Gesichtspunkt ist auch die häufig anzutreffende
Bemerkung zu beurteilen, der (neuere) Ingolstädter Festungsbau sei deshalb
überflüssig gewesen, weil die Festung nie belagert oder berannt worden sei.
Festungen (und extrapolirt auf die heutige Zeit: zweitschlagfähige
Waffensysteme) entwickeln bereits durch ihre bloße Existenz „ abschreckende „
Wirkung und sind ebenso psychologische wie realpolitische Zeichen und Mittel
der Verteidigungsbereitschaft und -fähigkeit.
Zitiert aus: https://www.grossmehring.de/Fort-Prinz-Karl.o1298.htmlDer Festungsring um Ingolstadt und die Lage der Forts Quelle: Wikimedia Commons |
Erstes „Ankerzentrum“ für Asylbewerber: Die ehemalige Immelmann-Kaserne auf dem Gelände des früheren Fort IX
Zusammengefasst aus: https://www.donaukurier.de/lokales/ingolstadt/Manching-Was-kostet-eine-alte-Kaserne;art599,3028432
In Manching liegt auf dem Gelände der früheren
Immelmann-Kaserne und an drei anderen Standorten das bundesweit erste Lager für
Schnellabschiebungen, die „Ankunfts- und Rückführungseinrichtung I“. Sie wurde
am 1. September 2015 eröffnet und geht auf einen Beschluss der bayerischen
Staatsregierung zurück. Dort sind Asylbewerber mit geringer Bleibeperspektive
untergebracht. Sie werden teils abgeschoben, teils kehren sie freiwillig in
ihre Heimatländer zurück. - Zusammengefasst aus https://de.wikipedia.org/wiki/Manching
23.02.2018: Für die einen umstritten, für die CSU eine
Vorzeigeeinrichtung und eine Blaupause für die im Berliner Koalitionsvertrag
vereinbarten neuen "Ankerzentren" für Asylbewerber. So beschreibt
Sozialministerin Emilia Müller das Transitzentrum in Manching bei Ingolstadt.
Zitiert
aus: https://www.br.de/nachricht/transitzentrum-manching-vorbild-fuer-geplante-ankerzentren-100.html
27.04.2018: Ingolstadt bekommt einen neuen Wertstoffhof. Ab
Anfang Mai haben die Bürger die Möglichkeit, Wertstoffe und Abfälle auf das
Gelände der ehemaligen Max-Immelmann-Kaserne zu bringen.
Zitiert aus https://www.radio-in.de/ingolstadt-neuer-wertstoffhof-im-sueden-157999/
15.05.2018: Ein Pressetermin in Oberstimm wurde heute
begleitet von ein bisschen Randale sowie Emotionen und Kundgebungen.
(ty) Zu einem kleinen Tumult ist es am heutigen Vormittag
bei einem Pressetermin gekommen, zu dem die Regierung von Oberbayern ins
bayerische Transit-Zentrum Manching-Ingolstadt auf dem Areal der
Max-Immelmann-Kaserne bei Oberstimm eingeladen hatte. Protestierende
Schwarzafrikaner wollten den Medien-Vertretern auf deren Rundgang folgen und
versuchten deshalb eine Zaun-Absperrung einzureißen. […] auf dem Gelände taten
sich Flüchtlinge zu einer Kundgebung zusammen.
Zitiert aus: https://pfaffenhofen-today.de/44405-unmut-im-transitzentrum-150518
Einrichtung des
ersten Abschiebelagers für sogenannte „Ostjuden“ im Fort VI (Fort Prinz Karl), 1920
Bei Ingolstadt errichtete man ein Lager, in dem unerwünschte
"Ausländer", unter ihnen vor allem "Ostjuden", vor ihrer Ausweisung
interniert wurden. Bereits im Dezember 1919 hatte sich ein Abgeordneter der
DNVP im Preußischen Landtag dafür ausgesprochen, "Einwanderer aus dem
Osten" in "Konzentrationslagern" unterzubringen und von dort
"sobald als möglich" abzuschieben.“ […] Die antisemitische Gewalt richtete sich freilich, wie der
Autor [Dirk Walter] nachweist, nicht nur gegen die "Ostjuden",
sondern gegen alle Juden. [… ] "Seit 1920/21", so stellt Walter […]
fest, "konnte kein Jude in München mehr ausschließen, Opfer von rechtsextremer
Straßengewalt zu werden. […] Das Grundmuster, das die NS-Judenpolitik seit 1933
bestimmte, war im Ansatz bereits in den Jahren zuvor ausgebildet worden:
Radau-antisemitische Aktionen von unten und […] bürokratische Initiativen von
oben verstärkten sich wechselseitig und setzten einen dynamischen Prozeß in
Gang
Zitiert aus: https://www.zeit.de/1999/11/Auf_verlorenem_Posten/komplettansicht
Höhepunkt der Feindseligkeiten gegen Ostjuden, bei welchen
Bayern reichsweit eine negative Vorreiterrolle spielte, stellte die staatliche
Ausweisungsaktion vom Oktober/November 1923 dar.“
Zitiert aus: https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Ostjuden_(Weimarer_Republik)
Als Reaktion auf die Wirtschafts- und Finanzkrise machte von
Kahr jüdische Flüchtlinge zu Sündenböcken und ging im Oktober gegen die
angeblichen „Volksschädlinge“ vor. Innerhalb von fünf Tagen wurden die
jüdischen Familien ausgewiesen. Über das „Ausländer-Sammellager“ im Fort Prinz
Karl in Ingolstadt – dem reichsweit ersten eingerichteten Sammellager für
unerwünschte Ausländer –, das zuvor bereits als Kriegsgefangenenlager und
Internierungslager für „Spartakisten“ genutzt worden war, sollten die
Betroffenen abgeschoben werden. […] Vgl. Straub, Theodor: Das
Ausländersammellager Fort Prinz Karl bei Ingolstadt. Bayerns erstes
„Konzentrationslager“ (1920-1924), in: Geschichte quer 4 (1995), S. 18-20 […]
.Die Weimarer Lager sind nicht vergleichbar mit den „Todesfabriken“ des
Nationalsozialismus und doch stehen sie für uns heute in einer
Entwicklungslinie mit ihnen.
Zitiert aus: https://books.ub.uni-heidelberg.de/heibooks/reader/download/182/182-4-77405-4-10-20170331.pdf
Nutzung der
Ingolstädter Fortanlagen für die Unterbringung von Kriegsgefangenen im Krieg
1870/ 71 und im Ersten Weltkrieg
Im deutsch-französischen Krieg von 1870/71 wurde Ingolstadt
(erstmals) als Kriegsgefangenenlager genutzt. Unter den Gefangenen waren Helfer
der französischen Truppen aus französischen Kolonien Afrikas; ein beliebtes
Motiv für Maler der Zeit. Ingolstadt wurde im Ersten Weltkrieg erneut
Kriegsgefangenenlager.
Zusammengefasst aus https://www.grossmehring.de/Fort-Prinz-Karl.o1298.html
Bekannt wurde insbesondere der Bericht des französischen
Offiziers Quesnay de Beaurepaire, der von seiner Gefangenschaft und von seinem
Leben in der Stadt ein farbiges Bild in einem Buch zeichnete. Hinzuweisen ist
auch auf die Tatsache, dass zahlreiche Maler sich der Szenen annahmen, die sich
durch die Gefangenschaft der französischen Kolonialtruppen - ihrer Exotik wegen
ergaben - und die mit dem Titel „Afrika in Bayern" beschrieben wurden.
Zitiert aus https://www.grossmehring.de/Fort-Prinz-Karl.o1298.html
Das Fort VIII der Landesfestung Ingolstadt, das auch als
Zwischenwerk Manching bekannt war, wurde während des Ersten Weltkriegs als
Kriegsgefangenenlager genutzt.
Zitiert aus: https://de.wikipedia.org/wiki/Manching
Ankunft französischer Gefangener in Ingolstadt 1915 […]
Völkerschau unserer gefangenen Feinde”. Kriegs-Erinnerungs-Karte, gelaufen als
Feldpost im September 1915 […] Eine Reihe von Ansichtskarten mit dem Motiv
“koloniale Kriegsgefangene” nehmen ganz unmittelbar Bezug auf Darstellungen der
Völkerschauen á la Hagenbeck. […] Im Rahmen der Auslandspropaganda hat das
Deutsche Reich auch Ansichtskarten in französischer und spanischer Sprache
herausgegeben. “Kulturbrüder” war ein typischer politisch-abwertender
Kampfbegriff in der deutschen Propaganda. Negative Völker-Stereotype (mit
Ausnahme des nordamerikanischen Indianers) bis hin zur Darstellung dessen, was
später einmal “Untermenschen” genannt werden wird.
Zitiert aus: http://www.dortmund-postkolonial.de/?page_id=3376;
http://www.dortmund-postkolonial.de/?attachment_id=3816; http://www.dortmund-postkolonial.de/?attachment_id=5487