Friedensforschung mit der Maus

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Samstag, 8. September 2018

Ingolstadt - Lokalkolorit und große Politik



Aspekte der Festungs- und Lagergeschichte von Ingolstadt kurz zusammen gefasst


Ob historische und ideengeschichtliche Aspekte zum Standort Ingolstadt in der Debatte um die „ANKER-Zentren“ überhaupt wahrgenommen werden sollen, oder ob man sie besser ganz ausklammern sollte, da sie sehr polarisierend wirken, ist eine Frage für sich. Die Festungs- und Lagergeschichte von Ingolstadt ist in jedem Fall einer Beschäftigung wert. 
Wie seinerzeit das erste Abschiebelager für sogenannte "Ostjuden" ist auch das Transitzentrum in der Max-Immelmann-Kaserne, das eine "Blaupause" für die im Koalitionsvertrag genannten Ankerzentren sein soll, im historischen Festungsring um Ingolstadt untergebracht. Die ehemalige Kaserne befindet sich auf dem Gelände des früheren Fort IX in der Gemeinde Manching.
Die Geschichte der Stadt, die 1537 zur „bayerischen Landesfestung“ ausgebaut wurde, ist stark geprägt von einer hohen wirtschaftlichen und ideengeschichtlichen Bedeutung der militärischen Konfrontation und Abwehr. In der Region wird Ingolstadt auch heute noch des Öfteren als „die Schanz" bezeichnet. Bauten des Festungsrings dienten der Abwehr und Abschreckung. Darüber hinaus wurden sie auch in verschiedenen Phasen der Geschichte für die Unterbringung und das Festhalten von Personen verwendet, die als Teil einer Bedrohung angesehen wurden.
Im Ersten Weltkrieg, wie schon zuvor im deutsch-französischen Krieg von 1870/71, wurde die Festung als Kriegsgefangenenlager genutzt. Unter den Gefangenen waren Truppenangehörige aus französischen Kolonien Afrikas. 1915 gab das Deutsche Reich darauf bezogene Ansichtskarten heraus, zum Zweck der Auslandspropaganda auch in französischer und spanischer Sprache. Diese vermittelten negative Völker-Stereotype. “Kulturbrüder” war ein typischer politisch-abwertender Kampfbegriff in der deutschen Propaganda. (Die Assoziation „Kulturbereicherer“ liegt nahe.)
1920 errichtete man im Fort Prinz Karl (dem einzigen heute noch erhaltenen Fort des Festungsrings) ein Lager, in dem unerwünschte "Ausländer", unter ihnen vor allem "Ostjuden", vor ihrer Ausweisung interniert wurden. Damit wurden nach Einschätzung des Historikers Dirk Walter (1999) judenfeindliche Stimmungen bekräftigt.

Wie oft bei Standorten mit einer ausgeprägten militärischen Geschichte mischen sich mit historischen und ideengeschichtlichen Aspekten auch kommunal- und regionalwirtschaftliche Fragen: Was tun mit den historisch gewachsenen, militärisch geprägten Strukturen, wie sollen diese wirtschaftlich genutzt werden?



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Es schleppen sich Gesetz und Rechte
wie eine ew’ge Krankheit fort.

Goethe im „Faust“ über staatlich
zementierte archaische Traditionen 


Wie seinerzeit das erste Abschiebelager für sogenannte "Ostjuden" ist auch das Transitzentrum in der Max-Immelmann-Kaserne, das eine "Blaupause" für die im Koalitionsvertrag genannten Ankerzentren sein soll, im historischen Festungsring um Ingolstadt untergebracht. Im Folgenden habe ich einige Informationen zusammen gefasst, die ich auf meinem anderen Blog in dem Post „Ingolstadt und Benschen“ Stück für Stück in Ergänzungen (Kommentaren) unter dem Post zusammen getragen hatte. (S. https://guttmensch.blogspot.com/2018/09/ingolstadt-und-zbaszyn.html)

 

Der historische Festungsring um Ingolstadt und seine Forts

Die Umschließung der Stadt mit einem dichten Ring von Festungsbauten (Forts) stellt eine Besonderheit dar und hat eine bemerkenswerte Geschichte.

Schon bei der ersten urkundlichen Erwähnung der Stadt, 806 in einer Urkunde Kaiser Karls des Großen, war Ingolstadt militärisch geprägt. 1537 begann der Ausbau der mittelalterlichen Stadtmauer zum Festungsring. Vor die Stadtmauer wurde ein Erdwall mit vorgelagertem Graben gesetzt - auf ihn sollten entsprechende Geschütze postiert werden. An bestimmten Eckpunkten der Festung wurden Bastionen aufgemauert, von denen aus die benachbarten Wälle durch flankierendes Feuer geschützt werden konnten. Im Dreißigjährigen Krieg wurden auch südlich der Donau, am so genannten Brückenkopf, Festungsanlagen errichtet. Der Festungsring wurde in der Zeit der napoleonischen Herrschaft geschleift, jedoch ab 1828 wieder aufgebaut. Der Bau des ersten Festungsrings, der „Hauptumwallung", beschäftigte über Jahrzehnte Tausende von Menschen;  es war die größte Staatsbaustelle im Königreich Bayern.

Die Forts wurden mit Nummernzahlen (I bis X) bezeichnet und in den 1880er Jahren z.T. zusätzlich nach Personen benannt. Nach dem 2. Weltkrieg wurden die Forts des Festungsgürtels von der US Armee gesprengt, bis auf eines. Erhalten blieb Fort Prinz Karl (Fort VI), Teil des dritten Festungsrings und „eine in der Festungsbaukunst der Militärgeschichte einzigartige Anlage“ mit einer bedeutenden „Denkmaleigenschaft“. Dieses wurde zunächst als Waffenlager der Alliierten benutzt; seitdem wurde dort noch vereinzelt Fundmunition entsorgt.

Heute gilt Ingolstadt für Experten als „ein lebendiges Freilichtmuseum der Festungsbaukunst des 19. Jahrhunderts“.
Zusammengefasst aus: https://www.grossmehring.de/Fort-Prinz-Karl.o1298.html

 

Das Gelände des Fort IX bei Oberstimm wurde nach der Zerstörung für die Neuerrichtung einer Bundeswehrkaserne (Max-Immelmann-Kaserne) genutzt. Heute findet man nur noch geringe Reste des ehemals größten Forts des äußeren Fortgürtels Ingolstadts.
Zitiert aus: http://www.festungingolstadt.de/befestigungne/polygonale/fortwerke.php

 

Ernst Aichner hat heraus gearbeitet: "Es war kein geringerer als Bismarck, der ein Gespür dafür besaß, dass Festungsbau auch etwas mit Psychologie zu tun hat, weil er ein gewisses Gefühl der Sicherheit vermittelt."

Unter diesem Gesichtspunkt ist auch die häufig anzutreffende Bemerkung zu beurteilen, der (neuere) Ingolstädter Festungsbau sei deshalb überflüssig gewesen, weil die Festung nie belagert oder berannt worden sei. Festungen (und extrapolirt auf die heutige Zeit: zweitschlagfähige Waffensysteme) entwickeln bereits durch ihre bloße Existenz „ abschreckende „ Wirkung und sind ebenso psychologische wie realpolitische Zeichen und Mittel der Verteidigungsbereitschaft und -fähigkeit.
Zitiert aus: https://www.grossmehring.de/Fort-Prinz-Karl.o1298.html

 
Der Festungsring um Ingolstadt und die Lage der Forts
Quelle: Wikimedia Commons 



Erstes „Ankerzentrum“ für Asylbewerber: Die ehemalige Immelmann-Kaserne auf dem Gelände des früheren Fort IX 

Das frühere Fort IX war Teil des ehemaligen Festungsrings um Ingolstadt. Das Gelände des Forts IX bei Oberstimm wurde nach der Zerstörung für die Neuerrichtung einer Bundeswehrkaserne (Max-Immelmann-Kaserne) genutzt. Heute findet man nur noch geringe Reste des ehemals größten Forts des äußeren Fortgürtels Ingolstadts. Die Kaserne, bestehend aus mehreren Häusern auf dem knapp 40 Hektar großen Gelände, wurde 2015 endgültig geschlossen. Schon bei der Schließung machte man sich Gedanken über die künftige Nutzung des Geländes, das zu drei Vierteln auf der Flur des Marktes Manching liegt, und beschloss, es  für die Unterbringung von Asylbewerbern zu nutzen. Es wurden (2015) Hinweise auf „Relikte im Boden“ gefunden, die „natürlich auch Einfluss auf den Wert des Grundstücks“ haben können; woraufhin eine Untersuchung des Bodens und darauf mit basierende Wertermittlung erfolgen sollte. Dabei sollten auch die möglichen Rückbaukosten für die Gebäude berechnet werden, denn einige der früheren Kasernen seien nicht im allerbesten Zustand. Gesichert hat sich die Gemeinde Manching den Erstzugriff auf das Kasernengelände, wofür (Stand 2015) im Vorfeld im Rahmen eines Standortentwicklungskonzepts (SEK) ein Integriertes Städtebauliches Entwicklungskonzept (ISEK) erstellt werden sollte.
Zusammengefasst aus: https://www.donaukurier.de/lokales/ingolstadt/Manching-Was-kostet-eine-alte-Kaserne;art599,3028432

 

In Manching liegt auf dem Gelände der früheren Immelmann-Kaserne und an drei anderen Standorten das bundesweit erste Lager für Schnellabschiebungen, die „Ankunfts- und Rückführungseinrichtung I“. Sie wurde am 1. September 2015 eröffnet und geht auf einen Beschluss der bayerischen Staatsregierung zurück. Dort sind Asylbewerber mit geringer Bleibeperspektive untergebracht. Sie werden teils abgeschoben, teils kehren sie freiwillig in ihre Heimatländer zurück. - Zusammengefasst aus https://de.wikipedia.org/wiki/Manching

 

23.02.2018: Für die einen umstritten, für die CSU eine Vorzeigeeinrichtung und eine Blaupause für die im Berliner Koalitionsvertrag vereinbarten neuen "Ankerzentren" für Asylbewerber. So beschreibt Sozialministerin Emilia Müller das Transitzentrum in Manching bei Ingolstadt.


 

27.04.2018: Ingolstadt bekommt einen neuen Wertstoffhof. Ab Anfang Mai haben die Bürger die Möglichkeit, Wertstoffe und Abfälle auf das Gelände der ehemaligen Max-Immelmann-Kaserne zu bringen.
Zitiert aus https://www.radio-in.de/ingolstadt-neuer-wertstoffhof-im-sueden-157999/
 

15.05.2018: Ein Pressetermin in Oberstimm wurde heute begleitet von ein bisschen Randale sowie Emotionen und Kundgebungen.

(ty) Zu einem kleinen Tumult ist es am heutigen Vormittag bei einem Pressetermin gekommen, zu dem die Regierung von Oberbayern ins bayerische Transit-Zentrum Manching-Ingolstadt auf dem Areal der Max-Immelmann-Kaserne bei Oberstimm eingeladen hatte. Protestierende Schwarzafrikaner wollten den Medien-Vertretern auf deren Rundgang folgen und versuchten deshalb eine Zaun-Absperrung einzureißen. […] auf dem Gelände taten sich Flüchtlinge zu einer Kundgebung zusammen.
Zitiert aus: https://pfaffenhofen-today.de/44405-unmut-im-transitzentrum-150518

 

Einrichtung des ersten Abschiebelagers für sogenannte „Ostjuden“  im Fort VI (Fort Prinz Karl), 1920

 

Bei Ingolstadt errichtete man ein Lager, in dem unerwünschte "Ausländer", unter ihnen vor allem "Ostjuden", vor ihrer Ausweisung interniert wurden. Bereits im Dezember 1919 hatte sich ein Abgeordneter der DNVP im Preußischen Landtag dafür ausgesprochen, "Einwanderer aus dem Osten" in "Konzentrationslagern" unterzubringen und von dort "sobald als möglich" abzuschieben.“ […] Die antisemitische Gewalt richtete sich freilich, wie der Autor [Dirk Walter] nachweist, nicht nur gegen die "Ostjuden", sondern gegen alle Juden. [… ] "Seit 1920/21", so stellt Walter […] fest, "konnte kein Jude in München mehr ausschließen, Opfer von rechtsextremer Straßengewalt zu werden. […] Das Grundmuster, das die NS-Judenpolitik seit 1933 bestimmte, war im Ansatz bereits in den Jahren zuvor ausgebildet worden: Radau-antisemitische Aktionen von unten und […] bürokratische Initiativen von oben verstärkten sich wechselseitig und setzten einen dynamischen Prozeß in Gang
Zitiert aus: https://www.zeit.de/1999/11/Auf_verlorenem_Posten/komplettansicht

 

Höhepunkt der Feindseligkeiten gegen Ostjuden, bei welchen Bayern reichsweit eine negative Vorreiterrolle spielte, stellte die staatliche Ausweisungsaktion vom Oktober/November 1923 dar.“
Zitiert aus: https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Ostjuden_(Weimarer_Republik)

 

Als Reaktion auf die Wirtschafts- und Finanzkrise machte von Kahr jüdische Flüchtlinge zu Sündenböcken und ging im Oktober gegen die angeblichen „Volksschädlinge“ vor. Innerhalb von fünf Tagen wurden die jüdischen Familien ausgewiesen. Über das „Ausländer-Sammellager“ im Fort Prinz Karl in Ingolstadt – dem reichsweit ersten eingerichteten Sammellager für unerwünschte Ausländer –, das zuvor bereits als Kriegsgefangenenlager und Internierungslager für „Spartakisten“ genutzt worden war, sollten die Betroffenen abgeschoben werden. […] Vgl. Straub, Theodor: Das Ausländersammellager Fort Prinz Karl bei Ingolstadt. Bayerns erstes „Konzentrationslager“ (1920-1924), in: Geschichte quer 4 (1995), S. 18-20 […] .Die Weimarer Lager sind nicht vergleichbar mit den „Todesfabriken“ des Nationalsozialismus und doch stehen sie für uns heute in einer Entwicklungslinie mit ihnen.
Zitiert aus: https://books.ub.uni-heidelberg.de/heibooks/reader/download/182/182-4-77405-4-10-20170331.pdf

 

Nutzung der Ingolstädter Fortanlagen für die Unterbringung von Kriegsgefangenen im Krieg 1870/ 71 und im Ersten Weltkrieg

 

Im deutsch-französischen Krieg von 1870/71 wurde Ingolstadt (erstmals) als Kriegsgefangenenlager genutzt. Unter den Gefangenen waren Helfer der französischen Truppen aus französischen Kolonien Afrikas; ein beliebtes Motiv für Maler der Zeit. Ingolstadt wurde im Ersten Weltkrieg erneut Kriegsgefangenenlager.
Zusammengefasst aus  https://www.grossmehring.de/Fort-Prinz-Karl.o1298.html

 

Bekannt wurde insbesondere der Bericht des französischen Offiziers Quesnay de Beaurepaire, der von seiner Gefangenschaft und von seinem Leben in der Stadt ein farbiges Bild in einem Buch zeichnete. Hinzuweisen ist auch auf die Tatsache, dass zahlreiche Maler sich der Szenen annahmen, die sich durch die Gefangenschaft der französischen Kolonialtruppen - ihrer Exotik wegen ergaben - und die mit dem Titel „Afrika in Bayern" beschrieben wurden.
Zitiert aus https://www.grossmehring.de/Fort-Prinz-Karl.o1298.html

 

Das Fort VIII der Landesfestung Ingolstadt, das auch als Zwischenwerk Manching bekannt war, wurde während des Ersten Weltkriegs als Kriegsgefangenenlager genutzt.
Zitiert aus: https://de.wikipedia.org/wiki/Manching



Ankunft französischer Gefangener in Ingolstadt 1915 […] Völkerschau unserer gefangenen Feinde”. Kriegs-Erinnerungs-Karte, gelaufen als Feldpost im September 1915 […] Eine Reihe von Ansichtskarten mit dem Motiv “koloniale Kriegsgefangene” nehmen ganz unmittelbar Bezug auf Darstellungen der Völkerschauen á la Hagenbeck. […] Im Rahmen der Auslandspropaganda hat das Deutsche Reich auch Ansichtskarten in französischer und spanischer Sprache herausgegeben. “Kulturbrüder” war ein typischer politisch-abwertender Kampfbegriff in der deutschen Propaganda. Negative Völker-Stereotype (mit Ausnahme des nordamerikanischen Indianers) bis hin zur Darstellung dessen, was später einmal “Untermenschen” genannt werden wird.
Zitiert aus: http://www.dortmund-postkolonial.de/?page_id=3376; http://www.dortmund-postkolonial.de/?attachment_id=3816;  http://www.dortmund-postkolonial.de/?attachment_id=5487