In Rüstung zu
investieren sei ein auch heute wieder empfohlener Beitrag zur Wirtschaftsentwicklung, schrieb
zustimmend die FAZ noch 2013 in einem Artikel über den japanischen Politiker Korekiyo
Takahashi (1854-1936). Der 1936 von Militaristen ermordete Politiker, der die Aufrüstung Japans voran getrieben und das Land auf den russisch-japanischen Krieg von 1905 vorbereitet hatte, werde von
vielen Japanern als ein letztes Bollwerk gegen den Militarismus gesehen und jetzt
wieder als Vorbild entdeckt.
Der Gedanke, dass die vermeintlich antimilitaristische Aufrüstung den Aufstieg
der Militaristen gefördert haben könnte – dass man Takahashi also auch als das Gegenteil eines Bollwerks, nämlich als Opfer
eines Zauberlehrlings-Phänomens sehen könnte -, kommt gar nicht erst auf.
Es scheint, als gelte auch 2013 immer noch Max Webers Aussage von 1894 als
selbstverstaendlich:
Eine starke Börse kann eben kein Klub für „ethische Kultur“ sein, und die
Kapitalien der großen Banken sind so wenig „Wohlfahrtseinrichtungen“ wie
Flinten und Kanonen es sind.
Das
Max-Weber-Zitat erscheint in einer Zusammenstellung von Zitaten in einem
Arbeitspapier des Institut für Ökologie und Unternehmensführung an der EUROPEAN
BUSINESS SCHOOL e.V. in Oestrich-Winkel: Umwelt- und Nachhaltigkeitstransparenz
für Finanzmärkte – Stand und Perspektiven (Datumsangabe nicht gefunden, wohl um
2002); http://www.sbi21.de/fileadmin/user_upload/AP_37.pdf
Im gleichen
Papier wird dieser und ähnlichen Aussagen von Wirtschaftsgurus der letzten
Jahrzehne ein Zitat von 2001 entgegen gestellt (Hervorhebung in Fettdruck von
mir):
Es ist interessant zu beobachten, dass
gesellschaftlich oder sozial orientierte Fonds in den vergangenen fünf Jahren
offenbar besser abgeschnitten haben als ihre konventionellen „Counterparts“.
Ihr Wachstumsvorsprung ist aber gering, und es ist zu früh, die langfristige Güte
solcher Fonds einzuschätzen. Dennoch kann die Bedeutung der sozial orientierten
Investitionen kaum überschätzt werden, denn sie deuten auf eine tief greifende
Wandlung der Logik des Kapitalismus hin. Dessen Lehrbücher werden nach wie vor
unter der Annahme geschrieben, dass jeder Investor für sich allein nach
maximaler Rendite strebt. Wenn aber die
Investoren daneben auch ihre gesellschaftliche Verantwortung in die
Entscheidungen einbeziehen, dann müssen die Lehrbücher umgeschrieben werden.
Thomas Donaldson
Soweit ist es
aber wohl noch lange nicht.
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Der Bankier und Politiker Korekiyo Takahashi -
In den USA positiv gesehen und durch Beratung gefördert, wichtige Figur für die finanzielle Ermöglichung des japanisch-russischen Kriegs von 1905; vom japanischen Kaiser ausgezeichnet:
For contributing to Japan's war effort against Russia by
raising great sums through selling war bonds abroad, he was made a member of
the House of Peers in 1905, at the age of 52. The next year he became president
of the Shokin Bank. In 1907 he received the first of several decorations from
the Emperor. Takahashi was made a baron and later a viscount, and in 1911 he
became governor of the Bank of Japan, where he lowered interest rates as an
anti-depression measure.
http://www.jstor.org/discover/10.2307/20728180?uid=3738336&uid=2129&uid=2134&uid=2478576867&uid=2&uid=70&uid=3&uid=2478576857&uid=60&purchase-type=article&accessType=none&sid=21104034871117&showMyJstorPss=false&seq=15&showAccess=false
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Tōgō Heihachirō: "Nelson des Ostens",
um 1905
Bild: Wikipedia |
Marshal-Admiral Marquis Tōgō Heihachirō, ((東郷 平八郎; 1848 – 1934)
Erfolgreich im japanisch-russischen Krieg von 1905, wurde von britischen Journalisten "Nelson des Ostens" genannt; soll sich selbst fuer eine Reinkarnation des britischen Admirals Horatio Nelson gehalten haben.
Dieser Krieg war aus westlicher Sicht ein guter Krieg. Im 2. Weltkrieg wurden, angefangen mit dem Angriff auf Pearl Harbour, von japanischer Seite aehnliche militaerische Strategien eingesetzt, aber diesmal gegen die westlichen Alliierten. Nun praegten Hass-Karikaturen das Bild von japanischen Kriegsfuehrern.
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Hirohito,
Kaiser Shōwa (昭和天皇, Shōwa-tennō, 1901 – 1989),
als Kleinkind während der Regierungszeit seines Großvaters Kaiser Meiji. Mit
den Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki 1945 sollte die bedingungslose
Kapitulation Japans erzwungen werden; im Unterschied zu einer verhandelten
Kapitulation ging es dabei besonders um die Absetzung Hirohitos. Die Alliierten entschieden sich dann doch dafür, ihn und seine Dynastie im Amt zu belassen. Bildquelle: http://en.wikipedia.org/wiki/Hirohito
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„Das Faktum, daß sich ein Mitglied des
Hamburger Bankhauses M. M. Warburg & Co. an Bord der deutschen Kriegsschiffe
bei Agadir und an Land in Südmarokko im auch politisch erhitzten Sommer 1911
befand, möchte leicht allerhand Schlüsse und auch Kurzschlüsse hinsichtlich des
wilhelminischen Imperialismus als letzter (oder vorletzter) Phase des
Finanzimperialismus* nahelegen.“
Aber solche Schlüsse
oder Kurzschlüsse seien falsch, argumentiert Vagts dann weiter.
Er zieht das Max-Weber-Zitat heran, wonach eine Börse eben kein Ethik-Klub sei.
Er erwähnt u.a. die Finanzierung des Bankhauses Warburg für die deutsche
Beteiligung an der Bekämpfung des Boxeraufstands in China und die
Zusammenarbeit der Bankiers Warburg und Schiff mit dem japanischen Bankier und
Politiker Korekiyo Takahashi bei der finanziellen Ermoeglichung des
japanisch-russischen Kriegs.
Vagts stellt
diese Finanzierungen als professionelle, wohl abgewogene und im Kontext geradezu
zwingende Entscheidungen dar. Er kommt damit der Möglichkeit zuvor, dass die
Bankiersdynastie Warburg in den Vorwurf des preußisch-deutschen Militarismus im
Vorfeld des Ersten Weltkriegs einbezogen werden könnte.
Tatsächlich ist
es so, dass fast alle kritische Auseinandersetzung mit der Rolle der
Bankiersfamilien Warburg und Schiff, die mir bisher untergekommen ist, aus
einer entweder rechts- oder linksextremistischen Ecke kommt, oft mit einer kräftigen
Prise Antisemitismus. Das dürfte Grund genug sein für jeden Historiker, der
bei Sinnen ist, das Thema „finanzielle Kriegsbereitschaft“ (Titel eines
Vortrags von Max Warburg aus dem Jahre 1907, den er auch in seinen Erinnerungen
erwähnt) aus der Diskussion der Kriegsstimmung vor 1914 unbedingt heraus zu
halten. Völkermord wird aber nicht dadurch zu einem weniger großen Verbrechen,
dass Angehörige des verfolgten Volkes nicht immer nur in jedem einzelnen Fall über
alle Maßen klug, weise und ihrer Zeit weit vorausschauend gehandelt haben. Es
kann nicht sein, dass nur Übermenschen des Schutzes vor Verfolgung und Mord würdig
sein sollen. Dies muss auch für ganz normale Menschen gelten, die Fehlern und Irrtümern
unterliegen können; vor allem auch solchen, die für ihre Zeit typisch sind. Alles
für nicht hinterfragbar zu halten, was von Angehörigen der Bankiersfamilien
Warburg und Schiff jemals für gut befunden wurde, kann bedeuten, bei z.T. überkommenen
Normen und Wertvorstellungen stehen zu bleiben.
Wenn Alfred
Vagts, der im Einvernehmen mit Familie Warburg und möglicherweise in deren
Auftrag über das Bankhaus Warburg schrieb und sich dabei auf Wertvorstellungen
berief, die inzwischen über 100 Jahre alt sind (s.o., Max-Weber-Zitat), dann müssen
wir dem heute nicht 1:1 folgen. Wir müssen auch nicht seine Vorstellung übernehmen,
dass der gute „military way“ des Westens vom Militarismus preußisch-deutscher Prägung
fundamental verschieden sei, und die Finanzierung von Kriegen ein Geschäft wie
jedes andere.
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Festgefahren in altem Denken?
„Die USA werden von 200 Familien regiert und zu denen wollen wir gute Kontakte haben.“ Dr. Arend Oetker, damaliger Vorstandsvorsitzender der Atlantik-Brücke in der Berliner Zeitung vom 17. April 2002
Wikipedia, Eintrag zu "Atlantik-Brücke",