Friedensforschung mit der Maus

Friedensforschung mit der Maus

Sonntag, 11. Dezember 2011

Grundlage der Volksgemeinschaft: Blut. - Mehr aus der SÜRAG vom 23. Juni 1940

Dieser Blog ist ein Ableger des Blogs "Menschenrechte statt Eugenik".


Zu der von Franz Burda herausgegebenen SÜRAG, Ausgabe vom 23. Juni 1940, siehe auch
http://guttmensch.blogspot.com/2011/11/kulturtrager-kulturbereicherer-zynische.html
(dabei geht es um die zynische Bezeichung "Kulturträger" für afrikanische Soldaten, die auf Seiten der französischen Armee kämpften.) 

Weitere Bilder, die nicht im Burda Museum zu finden sind: Hier einige zusätzliche Abbildungen aus der o.g. Ausgabe (Anmerkungen in blauer Farbe und Einfügungen im Kreuzworträtsel sind von mir). Wiedergegeben sind oben die Titelseite mit einem Bild, das Hitler und Mussolini ("Führer - Duce") Seite an Seite zeigt, und unten ein Ausschnitt aus der letzten Seite (unten).

Die Abbildungen und Texte von der letzten Seite tragen die harmlose Überschrift: "Sachen zum Lachen und Raten". Und doch zeigen sie, wie eng die Vorstellung von "Blut" als "Grundlage der Volksgemeinschaft" mit der fanatischen Überzeugung verbunden ist, sich in einem Überlebenskampf (Kampf ums Dasein) zu befinden und Vernichtungskriege führen zu müssen.

  • Das Kreuzworträtsel fragt nach der "Grundlage der Volksgemeinschaft" (Waagerecht, 11); Antwort: Blut.
  • Die Karikatur links oben zeigt einen als Schnecke dargestellten "WC" (Winston Churchill), der hinter sich den Westwall und vor sich Norwegen hat und es bereut, den "Wettlauf mit den Deutschen" aufgenommen zu haben. 
  •  Auf der Karikatur links unten sehen wir wiederum Winston Churchill, ratlos vor den Trümmern eines abgestürzten Flugzeugs. Sein offenbar einflussreicher Berater, der als stereotypische Karikatur eines Juden dargestellt ist, und hinter dem sich ein drohender Schatten abzeichnet (wohl als Weltjudentum, "Alljuda", gedacht), empfiehlt: "Mein Lord, das Holz aus Norwegen fehlt uns, das Zeitungspapier wird knapp! Sparen wir die Verlustlisten ein ..." 
Unter einer weiteren Abbildung in der Mitte des Heftes (Foto; hier nicht eingescannt) steht die Textzeile: "Französische Gefangene in Dünkirchen. Sie durften den Rückzug der Engländer decken, um dann in deutsche Gefangenschaft zu gehen."




Gesamtaussage: Es geht immer um "Blut", d.h. um "Blutlinien" (nach Galton und in der Sprache der Eugenik blood strains), um Abstammung, "Rasse". Die Engländer und Franzosen, so legte die SÜRAG den Lesern nahe, würden von der "Fremdrasse" der Juden instrumentalisiert (Engländer) bzw. importierten mordlustige und kulturzerstörende, "minderwertige" Rassen aus Afrika nach Europa (Franzosen); sie stellten sich im Kampf der Völker ums Überleben auf die falsche Seite.

Einige der damals propagierten Klischees über Fremdrassige und über sie schützende Verräter an der eigenen "Rasse" haben überlebt und tauchen wieder auf, selbst wenn Objekte des Hasses z. T. ausgetauscht wurden (siehe dazu Stichwort "Hass" auf dem Blog "Menschenrechte statt Eugenik").

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Freundlich schrieb der SPIEGEL in der Ausgabe vom 26.12.1962:
"Schon die erste Zeitung, die im Burda-Verlag erschien (gemeint ist 1927-1941 erschienene SÜRAG, Anm. Blogger) war unpolitischer Art.
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-45125376.html

Und der Journalist Peter Köpf, dem für seine Biografie über Franz Burda angeblich die Archive geöffnet wurden, grub mit seinen "Enthüllungen" nur mäßig tief. "Ohne Zwang habe Burda Aufnahmen prominenter Regionalpolitiker der NSDAP auf seine Titel gehoben."
(Aus einer Buchbesprechung von Thomas Schuler, erschienen am 29.01.2002: Das Buch "Die Burdas" konfrontiert den Verlag mit seiner unrühmlichen Rolle im Dritten Reich.
http://www.berliner-zeitung.de/archiv/das-buch--die-burdas--konfrontiert-den-verlag-mit-seiner-unruehmlichen-rolle-im-dritten-reich--der-ton-unverhohlen-begeistert-,10810590,9969656.html)


Regionalpolitiker?

Siehe auch Anmerkungen unter
http://guttmensch.blogspot.com/2011/11/kulturtrager-kulturbereicherer-zynische.html

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Der Karikaturist Hans Buhr, Zeichner der oben einkopierten Karikaturen zur Propaganda für Krieg und Antisemitismus, zeichnete nach dem Krieg (1953) für die Springer-Zeitung "Hamburger Abendblatt"; siehe z.B.
http://books.google.com/books?id=DKseAQAAIAAJ&q=%22zeichner+hans+buhr%22&dq=%22zeichner+hans+buhr%22&hl=sw&sa=X&ei=-ZTxTuPwHcKIrAeS8fDdDw&ved=0CCsQ6AEwAA
Ergänzung: Dieser Link ist mittlerweile abgebrochen. Weiterer Nachweis über die Tätigkeit Buhrs für das HAB:
Hinweis auf Comic Strip von Buhr, erstmals HAB Nr. 201, 24.12.1949
https://books.google.com/books?id=nYQLAQAAMAAJ&dq=%22hans+buhr%22+abendblatt&focus=searchwithinvolume&q=%22hans+buhr%22


Auch von (u.a.) Hans Buhr: "Geburtstagswünsche zum 20. April" (1940)
www.detlef-heinsohn.de/hefte-haensel-gretel.htm

Montag, 31. Oktober 2011

Frederick Lugard und die Strategie der "indirekten Herrschaft"

Die von Frederick Lugard entwickelte Strategie der "indirekten Herrschaft" ("indirect rule") wird in den Erinnerungen des kenianischen Autors Ngugi wa Thiong'o sehr kritisch gewuerdigt.
http://zettelmaus.blogspot.com/2011/10/gefangnisabsolvent-eine-afrikanische.html

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als sich die Ideologien der Eugenik und eugenischer Geopolitik verbreiteten (siehe z.B.
http://guttmensch.blogspot.com/2011/05/geopolitik-und-eugenik-die-forderung.html ), und bis in die heutige Zeit hinein galt Lugard vielen einflussreichen Zeitgenossen und Historikern als Held.

Beispiel in:

THE FOUNDATION OF BRITISH EAST AFRICA. By J. W. Gregory, D.Sc, PROFESSOR OF GEOLOGY IN THE UNIVERSITY OF MELBOURNE, AUTHOR OF " THE GREAT RIFT VALLEY".  LONDON HORACE MARSHALL & SON, TEMPLE HOUSE, E.C, 1901
http://www.archive.org/stream/foundationofbrit00greg/foundationofbrit00greg_djvu.txt

"IN 1885 Captain (now General Sir) F. D. Lugard, D.S.O., was entitled to long leave from his regiment, and he resolved to devote it to work in Africa as a volunteer military missionary. It was his ambition, to use his own words, "to embark in some useful undertaking in Africa — if possible, in connection with the suppression of the slave trade." ... "

Lugard hatte es verstanden, seine Motivation als ein humanitaeres Interesse - Engagement fuer die Beendigung des Sklavenhandels - darzustellen. Aus heutiger Sicht und im Rueckblick auf sein Wirken mag sie eher als Abenteuerlust und Lust an der Ausuebung von Macht erscheinen.

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Das System der von Lugard propagierten “indirekten Herrschaft” durch lokale Haeuptlinge, die von der Kolonialverwaltung gestuetzt und instrumentalisiert wurden, stiess haeufig auf Protest. So auch in Nigeria, wo Frauen der Aba-Region 1929 gegen die Auswirkungen dieses Systems demonstrierten. Auf die Demonstrantinnen wurde geschossen, einige wurden toedlich getroffen. In der Folge weiteten sich die Demonstrationen aus, es kam zu Unruhen. Das britische Aussenministerium setzte eine Kommission zur Pruefung der Vorfaelle ein – mit dem Ergebnis, dass die Schuld allein bei den Demonstrantinnen gelegen haette.  



Quelle:
http://historyafrica.blogspot.com/2010/12/aba-womens-riot-as-act-of-resistance-of.html




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Bekämpfung des Sklavenhandels in Afrika - beliebtes Feigenblatt auch in der deutschen Kolonialgeschichte


http://www.heise.de/tp/artikel/40/40303/1.html

Herz der Finsternis: Vom Kolonialismus-Star zum "Hänge-Peters"
Hans Schmid 22.02.2014
Das Dritte Reich im Selbstversuch (16): Carl Peters - Teil 2

"Der Neger ist der geborene Sklave, dem ein Despot nötig ist wie dem Opiumraucher die Pfeife. […] Er ist verlogen, diebisch, falsch und hinterhältig." (Carl Peters)

Teil 1: Ich bin ich: Kolonialherren, treue Askaris und die jüdisch unterwanderte SPD im NS-Film
Was bisher geschah: Der von alten Nazis und neuen Rechtsradikalen als Kolonialheld verehrte Carl Peters "erwirbt" durch den Abschluss von Schwindelverträgen ein "Schutzgebiet" in Ostafrika und bekommt von Kaiser Wilhelm I. einen "Schutzbrief" ausgestellt, weil er Bismarck versichert hat, dass es das Reich nichts kosten wird. Die schlecht informierte Regierung gerät dadurch unter einen Handlungszwang, der zur Entsendung eines Flottengeschwaders führt, um die Interessen von Peters’ Deutsch-Ostafrikanischer Gesellschaft (DOAG) durchzusetzen. Alles könnte nun in bester Ordnung sein, wenn der Kaiser nicht sterben und Fürst Bismarck nach dem Regierungsantritt von Wilhelm II. nicht sein Amt niederlegen würde. Dadurch ändern sich in Deutschland die politischen Verhältnisse.

Im Film bekommt das auch Dr. Peters zu spüren, als er im Sommer 1890, nach weiteren großen Gebietserwerbungen, nach Berlin zurückkehrt. In der Wirklichkeit sahen seine Gebietserwerbungen beispielsweise so aus: Im Mai 1887 tauchte er mit einigen Agenten der DOAG in der Hafenstadt Daressalam auf, wo seine Fans später die 2 Meter 30 große Statue aufstellen wollten, von der heute nur noch der Kopf übrig ist. Er heuerte arabische Söldner an, umstellte den Gouverneurspalast und griff sich Sultan Barghaschs Verbindungsmann zu den Stammesfürsten in der Region. Als sich dieser nicht bestechen ließ zwang er ihn mit vorgehaltener Pistole, ein Dokument zu unterschreiben, mit dem der Mann bestätigte, der alleinige Herrscher weit und breit zu sein und die gesamte Region der Kontrolle der DOAG zu unterstellen.

"Araberaufstand"

Die meisten der DOAG-Repräsentanten wurden von Peters ausgesucht, teilten seine Ideologie und waren so rücksichtslos wie er. Damit hinterließ er ein unseliges Erbe, das noch lange nachwirken sollte. 1888 begann die DOAG, die dem Sultan von Sansibar abgetrotzten Küstenregionen in Besitz zu nehmen. Im Sommer traf Emil von Zelewski, ehemaliger Leutnant der Infanterie, in der Stadt Pangani ein und holte sich zur Unterstützung 110 Marinesoldaten von einem in der Nähe liegenden Kriegsschiff. Zelewski und seine Leute trampelten mit Stiefeln in der Moschee herum und entweihten den Gebetsraum (Zelewski hatte seinen Jagdhund mit dabei), terrorisierten und vergewaltigten und machten die DOAG noch verhasster, als sie es sowieso schon war. Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Die Küstenbevölkerung erhob sich, die DOAG musste die Reichsregierung um Hilfe bitten.

Für Bismarck trug Peters die Schuld an der Revolte, weil er brutal war, jeglichen Respekt gegenüber der einheimischen Bevölkerung vermissen ließ und damit ein schlechtes Beispiel abgab. Der Kanzler legte der DOAG dringend nahe, ihn nicht länger als Ikone des Kolonialismus in den Vordergrund zu stellen und nannte ironischerweise die viel geschickter agierenden hanseatischen Kaufleute als Vorbild, nachdem er bisher immer für Peters und zu deren ungunsten entschieden hatte. Ein Ausstieg aus dem Abenteuer Ostafrika hätte einen Gesichtsverlust und einen Triumph für die kolonialismuskritische Opposition im Reichstag bedeutet. Also wurde der Afrikareisende und Hauptmann Hermann von Wissmann beauftragt, eine Eingreiftruppe aufzustellen. Da möglichst keine deutschen Soldaten geopfert werden sollten, um den von der DOAG angerichteten Schlamassel zu beheben, wurden etwa tausend schwarzafrikanische Söldner angeheuert, befehligt von 80 deutschen Offizieren und Unteroffizieren. Das war der Ursprung der "Schutztruppe" (zunächst "Wissmann-Truppe").

1888 war auch das Jahr, in dem sich die internationale Gemeinschaft sehr über die Sklaverei empörte, weil der französische Kardinal Lavigerie eine entsprechende Kampagne entfacht hatte. Für einige europäische Mächte war das nur der pseudo-humanitäre Deckmantel, unter dem ganz andere Ziele verfolgt wurden. Bismarck lernte vom belgischen König Leopold, der sich seit Jahren als Vordenker der Anti-Sklaverei-Bewegung gerierte und im "Freistaat Kongo" für ein Schreckensregiment verantwortlich war (Wissmann hatte kürzlich noch in Leopolds Diensten gestanden). Um die öffentliche Meinung zu manipulieren ließ er Berichte über Gräueltaten arabischer Sklavenhändler streuen. In deutschen Zeitungen war von einem "Araberaufstand" zu lesen. Dieser Version nach steckten hinter der Revolte arabische Sklavenhändler, die um ihre Geschäftsgrundlage fürchteten, weil deutsche Kolonisten so etwas selbstverständlich nicht dulden würden. Im Januar 1889 genehmigte der Reichstag zwei Millionen Mark "zur Unterdrückung des Sklavenhandels und zum Schutz der deutschen Interessen in Ostafrika". Wissmann brauchte anderthalb Jahre und weitere knapp sechs Millionen Mark, um die Revolte niederzuschlagen. Viele von den Aufständischen, mit denen seine Söldner kurzen Prozess machten, waren ehemalige Sklaven.

Wir retten Emin Pascha

Peters, immer noch Direktor der DOAG, hatte deren Geschäfte eine Weile lang von Sansibar aus gelenkt, war wieder in Deutschland, als die Revolte ausbrach und konnte nicht erklären, wo die 50.000 Mark geblieben waren, um die er in Sansibar den Etat überzogen hatte. Nicht nur in der Reichskanzlei und im Auswärtigen Amt, auch innerhalb der DOAG verlor man allmählich die Geduld mit dem Mann, der absolut unberechenbar war, sich nichts sagen ließ und unter einem übersteigerten Selbstbewusstsein litt. Peters brauchte dringend eine neue Aufgabe, um seinen Ruf aufzupolieren. Die einflussreichen Freunde, die er weiterhin hatte, machten sich dafür stark, ihn als Leiter einer deutschen Emin-Pascha-Expedition einzusetzen.

Emin Pasha (Eduard Schnitzer)

Emin Pascha stammte aus Oberschlesien, hieß eigentlich Eduard Schnitzer, war als Arzt und Entdecker nach Afrika gegangen, hatte dort Karriere gemacht und war 1878 vom ägyptischen Vizekönig zum Gouverneur der Provinz Äquatoria (ein Teil des heutigen Südsudan) ernannt worden. Seit 1881 im Sudan der Mahdi-Aufstand ausgebrochen war und General Gordons Tod in Khartum 1885 war er von der ägyptischen Regierung und den von ihr beherrschten Gebieten abgeschnitten, seit 1886 auch von der durch das Königreich Buganda (im heutigen Uganda) führenden Nachschublinie. Henry Morton Stanley war bereits zu einer politisch und wirtschaftlich motivierten Rettungsexpedition aufgebrochen, als man in Deutschland auf den Gedanken kam, dass man Emin Pascha auch selbst retten könnte. Die Idee dahinter: Man wollte Schnitzers Position stabilisieren, Äquatoria mit seiner Hilfe unter deutsche Kontrolle bringen, von dort aus weitere Gebiete erwerben und ein deutsches Mittelafrika schaffen, das von der Atlantikküste bis zum Indischen Ozean reichen würde. Dieser Plan kollidierte mit den Träumen der Briten von einer Achse, die den Süden Afrikas mit Kairo verbinden sollte. Ein Emin-Pascha-Komitee, dem auch viele Politiker angehörten, sammelte das Geld für die Expedition. Peters stellte wieder seine Fähigkeiten als Agitator unter Beweis und erklärte, dass man die Gelegenheit nutzen werde, den Sklavenhandel im Inneren Afrikas zu bekämpfen.

Für Bismarck, der das Geld für die Niederschlagung des Aufstands an der ostafrikanischen Küste aufbringen und die DOAG vor dem Bankrott retten musste, waren Peters’ neuerliche Expedition und die in Aussicht gestellten Gebietserwerbungen ein finanzieller und diplomatischer Albtraum. Peters’ ursprünglicher Plan sah vor, Schnitzer mit einem Trupp von 600 Trägern und 100 somalischen Söldnern zu "retten". Bismarck und der britische Premierminister Lord Salisbury hatten sich jedoch auf eine gemeinsame Seeblockade geeinigt, um die Aufständischen von Waffenlieferungen abzuschneiden. Die Briten konfiszierten deshalb die von Peters nach Sansibar gebrachten Waffen und verweigerten den Somalis die Erlaubnis, an Land zu gehen. In Deutschland wurde das später als Affront der Briten dargestellt. Tatsächlich ließ Bismarck Salisbury durch den deutschen Botschafter in London ausrichten, dass Peters als Privatmann unterwegs sei und dass er, Bismarck, es ganz normal fände, wenn die Briten bewaffnete Einheiten am Transit hindern würden.
Nach einem Katz-und-Maus-Spiel mit der britischen Blockadeflotte landete der von Wissmann mit Waffen ausgerüstete Peters im Juni 1889 in der Kwaihu-Bucht. Mittlerweile hatte er einen großen Teil des für die Expedition gesammelten Geldes ausgegeben. Das für 75.000 Mark gemietete Dampfschiff, das ihn zur Küste Kenias gebracht hatte und alle darin transportierten Handelsgüter waren von den Briten konfisziert worden. Für einen bedächtigeren und weniger brutalen Expeditionsleiter wäre das ein Grund gewesen, das Unternehmen abzubrechen, weil die Route nach Uganda durch das Gebiet von Stämmen führte, von denen bekannt war, dass sie Wegezoll forderten. Peters brach mit dem jungen preußischen Offizier Adolf von Tiedemann, 85 Trägern, 13 schwarzafrikanischen, die Habe ihrer Männer schleppenden Frauen, vermutlich 17 somalischen Söldnern (die Angaben variieren), acht Dienern, einem Führer, 16 Kamelen und acht Eseln in das Inland auf. Für sich selbst hatte er einen Araberhengst gekauft.

Abmarsch war am 25. Juli. Tiedemann war begeisterst von Peters’ Energie und schrieb in sein Tagebuch, dass er alle mitriss. Das kann man auch anders sehen. Zuerst wurden Träger ausgepeitscht und in Ketten gelegt, die ihre Last hatten fallen lassen. Zur Brutalität des Führers kam die schlechte Verpflegung. Die Expedition durchquerte eine Gegend, in der eine Hungersnot herrschte, und Peters hatte zu wenig Proviant dabei. Er drohte, jeden zu erschießen, der fliehen wollte. Als das nichts half, wurde ein Großteil der Träger angekettet. Etwa zwanzig von ihnen war Ende August trotzdem die Flucht gelungen. Zwei der Träger hatten weniger Glück. Auf Peters’ Befehl wurden sie erschossen. Peters folgte dem Fluss Tana. Wer dort lebte und etwas zu essen hatte wurde ausgeplündert. Ein Zusammentreffen mit Angehörigen der Oromo war schon deshalb problematisch, weil diese Volksgruppe Krieg gegen in ihr Gebiet eindringende Somalis führte. Peters’ Version nach hatten ihn von den Oromo versklavte Schwarze um Schutz gebeten. Das kann so gewesen sein.
Jedenfalls war er dafür berüchtigt, dass er auf echte oder vermeintliche Gefahren mit Präventivschlägen reagierte. Dabei konnte er mit wenigen Leuten gegen eine Übermacht bestehen, weil die meisten seiner Gegner keine Erfahrung mit Feuerwaffen hatten. Peters überfiel mit zehn somalischen Soldaten und 25 Trägern (alle mit Gewehren bewaffnet) das Dorf der Oromo, tötete einige ihrer Anführer, nahm "Kriegsgefangene" und weibliche Geiseln und erbeutete 80 Bootsladungen Getreide. Die gute Nachricht für die Afrikaner, denen sie noch begegnen würden war die, dass Peters und Tiedemann ihr Maschinengewehr zurückließen, weil es nicht mehr funktionierte. Als einige Afrikaner versuchten, seine fünf verbliebenen Esel zu stehlen ordnete Peters eine Strafaktion an, bei der er 600 Schafe und 60 Ochsen mitnahm. Um ein Exempel zu statuieren, ließ er sechs Dörfer niederbrennen und alles rauben, was er brauchen konnte. Für Peters waren das normale "Kriegshandlungen", zu denen er sich offen bekannte. Sein 1891 erschienenes Buch Die deutsche Emin-Pascha-Expedition ist eine gruselige Lektüre. Sie sei allen empfohlen, die heute noch eine Carl-Peters-Straße haben wollen.

Im Film gibt es eine Szene, in der Peters von Graf Pfeil gefragt wird, wo er gedient habe. Peters erwidert voller Bitternis, dass ihn die Preußen nicht haben wollten. Auch beim echten Peters scheint es Spuren hinterlassen zu haben, dass er nicht durch die Musterung kam. Offenbar suchte er nach Gelegenheiten, sein militärisches Genie (oder was er dafür hielt) unter Beweis zu stellen, um diese Schmach zu kompensieren. Im zentralkenianischen Hochland, auf dem Leikipia-Plateau (und nicht schon 1894 wie im Film), hatte er seine erste Begegnung mit den Massai. Die in Europa kursierenden Horrorgeschichten hatten wenig mit der Wirklichkeit zu tun, obwohl die Massai ein durchaus kriegerisches Volk waren. Arne Perras meint, dass Peters sie absichtlich provozierte. Er erschoss einen ihrer Bullen, von dem er sich angegriffen fühlte, ohne sie zu entschädigen und verweigerte den Wegezoll, obwohl er nach seinen Raubzügen genug Güter mit sich führte, um ihnen etwas anzubieten. In seinen Schriften äußert er öfter sein Unverständnis über Europäer, die einen solchen Zoll entrichten (und die Gebräuche fremder Völker respektieren). Peters war ein Geistesverwandter des weißen Rassisten in Cornel Wildes The Naked Prey.

Henry Morton Stanley

In der Nacht vom 21. auf den 22. Dezember kam es zu einem Schusswechsel (Gewehre gegen Pfeil und Bogen), als die Massai versuchten, zwei Ladungen mit Gütern fortzuschaffen. Das war wohl das, was sie als einen angemessenen Wegezoll empfanden. Am nächsten Morgen griff Peters ihren Kraal an. Acht Massai wurden getötet. Bei den sich anschließenden Kämpfen verlor Peters mindestens zehn seiner Leute, seinen Schätzungen nach starben mehr als 120 Massai-Krieger. Auf einen Massai-Angriff am 24. Dezember folgte wahrscheinlich nur deshalb kein weiteres Massaker, weil Peters inzwischen mit der Munition haushalten musste. Danach setzte er seinen Marsch fort, bis er im Februar 1890 erfuhr, was man in Berlin und London schon seit Oktober 1889 wusste: Emin Pascha hatte Stanley getroffen, war längst nicht mehr in Äquatoria und brauchte auch keinen, der ihn rettete. In Deutschland hatte die Nachricht einen über den beiden Lagern nahe stehenden Zeitungen ausgetragenen Streit zwischen der Regierung und dem Emin-Pascha-Komitee beendet. Das Komitee hatte konzediert, dass die Emin-Pascha-Expedition ohne Emin Pascha hinfällig geworden sei.

Samstag, 22. Oktober 2011

"Gefängnisabsolvent" - eine afrikanische Perspektive zur Geschichte der Aufstandsbekämpfung

Friedensforschung mit der Maus. Mein Zettelkasten zu Ursachen von und Strategien gegen Krieg und Gewalt.

Dies ist eine "Schwester" des Blogs "Mein Zettelkasten 'Menschenrechte statt Eugenik' ", http://guttmensch.blogspot.com/


Heute Textstellen aus
Ngugi wa Thiong'o: Träume in Zeiten des Krieges. Eine Kindheit. A1 Verlag, München, 2010. Übersetzung aus dem Englischen von Thomas Brückner. Originalausgabe: Dreams in a Time of War. A Childhood Memoir. Pantheon Books/ Random House New York, 2010.   

Seiten 30 - 31
“Jeden Abend versammelten wir Kinder uns um die Feuerstelle...
Manche Berichte klangen seltsamer als erfundene Geschichten: wie die von einem Weißen namens Adolf Hitler, der sich 1936 weigerte, dem schnellsten Läufer der Welt die Hand zu schütteln, weil dieser, er hieß Jesse Owens, ein Schwarzer war.”

Seite35  (über die Strategie der indirekten Herrschaft (“indirect rule”), die kenianischen “King's African Rifles” (KAR) und ihr Lied
“Die KAR … waren 1902 gebildet worden, als Zusammenschluss aus zwei bestehenden Einheiten …, beides Geisteskinder eines gewissen Captain Lugard. Er war der berühmte Erfinder der indirekten Herrschaft Großbritanniens, jener Strategie, nach der man die Einheimischen der einen Region gegen die Einheimischen einer anderen Region ins Feld schickte und in jeder Gemeinschaft die traditionellen ebenso wie die willkürlich eingesetzten Anführer dazu benutzte, ihr eigenes Volk für die britische Krone zu unterdrücken. Das Regiment hatte während des Ersten Weltkriegs eine große Rolle bei der Verfolgung der flüchtigen Deutschen von Lettow-Vorbeck und im Kampf gegen den Asantehene, den König der Ashanti, gespielt. Die Soldaten des Regimes sangen von sich, als seien sie die Männer des Königs, die seinem Befehl folgten. …
Wir marschieren
Wir marschieren
Auf wessen Befehl?
Des Königs Befehl
Lässt uns marschieren.”

Seite 107
“... 1933 (wurde) die Kikuyu Karing'a Education Association (KKEA) gegründet, die Kikuyu Independent School Association (KISA) 1934 …
Die Begriffe 'Kirore' und 'Karing'a' dienten von jetzt an der Charakterisierung der Schulen. Kirore bezeichnete, auf Missionsschulen angewendet, Schulen, die den Afrikanern absichtlich Wissen vorenthielten und sie lieber die Unterstützung des Kolonialstaates lehrten, der anfangs die Bildung der Afrikaner auf Zimmerei, Landwirtschaft und grundlegende Lese- und Schreibfähigkeiten beschränkt hatte. Die Beherrschung des Englischen wurde als unnötig betrachtet. Die weiße Siedlergemeinde wollte nur 'fähige' afrikanische Arbeitskräfte, keine gebildeten afrikanischen Köpfe. Dagegen bemühten sich die Karing'a- und KISA-Schulen, die Grenzen des Wissens zu erweitern. …
Ich überquerte also durch meinen Wechsel von … einer Kirore-Schule an … eine Karing'a-Schule eine historische Trennlinie, die gezogen worden war, als ich noch nicht auf der Welt war, und die ich, Jahre später, mit meinem ersten Roman 'The River Between' immer noch zu begreifen suchte.”

Seiten 118 – 120 (über ein anderes Lied, das Lied über Ole Ngurueni)
“ 'Das ist das Lied über Ole Ngurueni' erklärte mir Ngandi, als ich ihn fragte, warum das Lied so populär sei.
'Ole Ngurueni', fragte ich verwirrt.
'Seit 1902, seit uns die Europäer das Land gestohlen haben, haben sie aus vielen der ursrprünglichen Besitzer mit Gewalt oder Betrug oder beidem Squatter gemacht. Verstehst du, um das Geld für die Steuern aufzutreiben, musste man gegen Bezahlug arbeiten, irgendwo. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde dann noch mehr Afrikanern ihr Land weggenommen, um Platz für die Ansiedlung ehemaliger Soldaten zu schaffen. Manche zogen ins Rift Valley und die Squatter-Bevölkerung wuchs. 1941 dann, als unsere Männer im großen Krieg für sie kämpften, begannen die europäischen Siedler, die Squatter zum zweiten Mal von ihrem Farmland zu vertreiben. Ole Ngurrueni liegt in der Nähe von Nakuru und war Siedlungsgebiet für einen Teil der Vertriebenen. Dann aber, drei Jahre nach der Heimkehr unserer Soldaten aus dem Zweiten Weltkrieg, entschied die Kolonialregierung, die Bewohner von Ole Ngurueni ein weiteres, ein drittes Mal zu vertreiben.  … Sie verarbeiteten die die Geschichte ihrer gewaltsamen Umsiedlung …. in einem Lied. ...
Ich hörte das Lied zum ersten Mal 1948 
Ngandi zufolge war Ole Ngurueni, die Erfahrung von Vertreibung, Exil und Verlust, wirklich eine Geschichte Kenias; der Widerstand des Volkes war ein Vorbote dessen, was kommen sollte.”

Seiten 131 – 132 (Koloniale Geopolitik, eugenische Ideologie und ihre Wahrnehmung aus einer afrikanischen Perspektive – Ngandis Erzählung)
“Die Royal Charter bedeutete, dass man Afrikaner aus der Stadt und den umliegenden Gebieten entfernen würde, wie das den schwarzen Menschen in Südafrika geschehen war, erklärte Ngandi kühl. Erinnert euch, dass die Kenia-Buren aus Südafrika hierhergekommen sind. Man hat die Bewohner von Ole Ngurueni 1948 vertrieben, zur selben Zeit, als die Buren in Südafrika den schwarzen Menschen dasselbe antaten. Die Weißen haben einen Generalplan und wollen sich Afrika vom Kap bis nach Kairo einverleiben. Es war Cecil Rhodes, jener Besitzer gestohlener Diamanten und gestohlenen Goldes in Südafrika, der ursprünglich diesen üblen Plan ausheckte. Ngandi holte noch weiter aus. In den 1930-er Jahren gab es in Kenia einen weißen Geheimbund, der plante, alle schwarzen Babys bei der Geburt zu töten, mit Ausnahme einiger kräftig gebauter für die Arbeit, die aber schwach im Verstand sein sollten, damit sie sich nicht zum Widerstand zusammenrotteten. Er bezeichnete sie als Eugenics Society (“Kiama Kia Njini”), die sich in meine Vorstellung als Gesellschaft weißer Brandstifter und Menschen fressender Ungeheuer jener Art einschrieb, gegen die Kabae und andere in den Zweiten Weltkrieg gezogen waren. Und nun diese Royal Charter, um um die Schwarzen aus der Stadt und dem Umland zu vertreiben; ein schreiender Widerspruch zu Ngandis geliebter Erklärung von Devonshire aus dem Jahr 1923! Die weiße Rasse war gegen die schwarze Rasse, auch wenn er, Ngandi, für Leute wie Fenner Brockway, ein britisches Parlamentsmitglied der Labour Party, Ausnahmen machte. Abgesehen davon zeichnete Ngandis Erzählung das Bild eines herankriechenden, reptilienartigen, weißen Ungeheuers, das uns alle zu verschlingen drohte. Im Schatten der Geschichte aber standen junge Männer, die gegen diesen weißen Generalplan kämpften, von denen einige bereits während des Krieges den Weißen entgegengetreten waren und sie besiegt hatten, wenn auch im Auftrag der Briten.”

Seiten 144 – 145 (Ngandi über Ausnahmezustand und Kriegsrecht)
“Aus dem Radio erfuhren wir Anfang Oktober 1952, dass Senior Chief Waruhiu bei einem, wie Mburu Matemu es ausdrückte, Mord im Chicagoer Gangsterstil ums Leben gekommen war. …  Einige Tage später hörten wir, dass Kenyatta in Kiambu vor einer riesigen Menschenmenge gesprochen und die Mau Mau … gebrandmarkt hatte. …. Und dann, am 20. Oktober 1952, kam der Schock: Jomo Kenyatta … und andere Führer waren im Rahmen der Operation Jock Scott verhaftet worden. … Gouverneur Evelyn Baring … hatte den Ausnahmezustand ausgerufen.
… Natürlich bekam Gouverneur Baring seine Anweisungen von seinem Chef in London, Churchill, höchstpersönlich, der schließlich Premierminister war. Erkennst du die Ironie? Unsere Leute helfen ihm im Kampf gegen Hitler und womit vergütet er uns das?
Ngandi hatte nicht im Zweiten Weltkrieg gekämpft, mein Halbbruder Kabae hingegen schon. Ich musste daran denken, dass er gesagt hatte, dass die Welt nie erfahren würde, wie viel der Kriegslasten die afrikanischen Völker getragen hatten. …
Das war ein weiterer Bruch von Ngandis geliebter Devonshire-Deklaration. … Ngandi versuchte den Ernst der Lage zu erklären, indem er sich über die Aussetzung der Gesetze und bürgerlichen Freiheiten ausließ – nicht, dass es viele waren, die den Afrikanern gewährt wurden, aber selbst die wenigen, die es gab, würden nun durch das Kriegsrecht aufgehoben werden. Er berichtete sogar von Orten, in denen der Ausnahmezustand ausgerufen worden war. Die Briten hatten das 1939 in Irland getan und 1948 in Malaysia. Am unheilvollsten war, so erklärte er, dass Adolf Hitler es 1933 in Deutschland getan hatte. Und was war die Folge? Krieg. Konzentrationslager.
Als sollte Ngandis Verdacht bestätigt werden, berichtete das Radio bald darauf von der Landung britischer Truppen, der Lancaster Fusiliers, in Nairobi, oder mit Ngandis Worten: Ein 'Konvoi' britischer Militärflugzeuge war in Eastlegh gelandet, um die bestehenden kolonialen Streitkräfte zu verstärken. … Die Kriegsmaschine, die einst gegen Hitler vorgegangen war, rollt nun auf uns zu, lamentierte Ngandi....
Der ganze Markt und das angrenzende Gebiet war von Menschen übersät, die man entwurzelt hatte. Sie waren von Lastwagen und aus Zügen heruntergeworfen worden. Das war anders als die Vertreibung von Ole Ngurueni 1948. Damals hatte man sich auf Squatter beschränkt. Jetzt wurden alle Gikuyu, Embu und Meru aus dem Rift Valley vertrieben. In vielen anderen städtischen Knotenpunkten in ganz Zentralkenia spielten sich solche Szenen ab. … Diese Vertreibung im Innern dauerte mehrere Wochen.”

Seite 151
“Eines Nachts kam ein Weißer, ein britischer mit seiner Bande afrikanischer Milizen, um Kimuchu zu holen. Seine Frau glaubte, dass man ihn verhaftete, wie man das mit Kenyatta und anderen gemacht hatte. Doch als sie und andere Verwandte auf der Polizeiwache nachfragten, erfuhren sie nichts. Ein paar Tage später wurde klar, was geschehen war. Kimuchu, Njerandi, Elijah Karanja, Mwangi, Nehemia, einige der bedeutendsten Männer in Limuru, waren alle in derselben Nacht verhaftet und zusammen in einer bewaldeten Schlucht … von dem britischen Offizier erschossen worden. Angst und Schrecken erfassten unsere Umgebung, meinen Großvater aber trafen sie am stärksten. Er war Kimuchus Ersatzvater; sie standen einander sehr nahe. Mein Großvater war überzeugt, dass er der Nächste sein würde, den 'sie' nachts holen würden. … Diesen mächtigen Menschen, den geachteten Grundbesitzer und Treuhänder seines Subclans, ja, meinen Großvater, der mit der Regierung korrespondierte, in unserer Hütte aus Angst vor dem kolonialen Unrecht schlottern zu sehen, war mein erster tiefgreifender Eindruck von der Bedeutung des Ausnahmezustands.”

Seite 179
“Als dann am 8. April 1953 herauskommt, dass Kenyatta und die anderen für schuldig befunden und zu sieben Jahren Arbeitslager verurteilt worden sind, verliere ich den Mut. … Wie konnten die Königin, Nehru und alle Rechtsanwälte aus den unterschiedlichsten Winkeln der Welt das zulassen? 
Ngandi aber ist unverzagt. Schau dir Kenyattas Worte vor Gericht ganz genau an: 'Unsere Taten richten sich gegen die Ungerechtigkeiten, unter denen das afrikanische Volk leidet … Was wir getan haben, und war wir weiterhin tun werden, ist, die Rechte des afrikanischen Volkes als Menschen einzufordern, auf dass sie sich derselben Möglichkeiten und Privilegien wie andere Völker erfreuen können.' … Erinnerst du dich, dass Kenyattas Freund Kwame Nkrumah erst vor einem Jahr aus dem Gefängnis kam und Premierminister der Goldküste wurde? GA, Gefängnisabsolvent, nannte er sich. Und Nehru? War er nicht auch Gefängnisabsolvent?”

Seite 217 - 218
“Eines Sonntags im Dezember 1954 beschlossen wir, … am Nachmittag zu einem Freiluftgottesdienst in Ndeiya zu gehen. … Die Freiluftgottesdienste, die immer nach den formalen Gottesdiensten in der Kirche stattfanden, wurden sonntags immer üblicher. Diese Veranstaltungen standen in keiner direkten Beziehung zu irgendeiner religiösen Gruppierung. … Sie fielen mit einer fundamentalistischen Wiedererweckungsbewegung zusammen, die kurz vor der Ausrufung des Ausnahmezustands über das Land gekommen war. Jetzt schien sich diese Tendenz zu intensivieren; fast schon als Alternative zum Kolonialstaat und zur Mau-Mau-Bewegung. 'Jesus ist mein persönlicher Erlöser' lautete der Slogan vieler Anhänger. Die jungen Leute wurden regelrecht süchtig danach …
Diese sonntäglichen Freiluftgottesdienste waren auch deshalb so beliebt, wiel sie zu den wenigen öffentlichen Zusammenkünften gehörten, für die keine regierungsamtliche Genehmigung erforderlich war. Sie besaßen den vollen Segen des Staates, weil es in ihnen um Jesus und nicht um Kenyatta ging, um geistige und geistliche Erlösung und nicht um die politische Befreiung von kolonialem Übel. …
Es war am späten Nachmittag, als wir uns auf den Rückweg machten … plötzlich hörten wir den Befehl stehen zu bleiben.
Vor uns stand ein weißer Soldat im Tarnanzug und richtete ein Gewehr auf uns. … Kenneth und ich waren ins Netz einer groß angelegten Massenüberprüfung gegangen.
Die verhörten Leute wurden in drei Gruppen eingeteilt: Die Üblen, die Übleren und die Übelsten. Die Gruppe der Übelsten wurde von einem fetten weißen Soldaten mit Schäferhund bewacht, der sehr bedrohlich aussah und keuchte, als dürstete ihn nach Blut. … Neben dem Jeep stand ein Zelt, in dem ein Mann saß, der von Kopf bis Fuß in ein weißes Tuch mit zwei Augenschlitzen eingehüllt war. …
Zu meiner Überraschung … kam ich in die Gruppe der Übleren, denen man noch weitere Fragen stellen würde. Nach der zweiten Gruppe wurden die Verdächtigen der Gruppe der Üblen oder der Übelsten zugeteilt, und die Letzteren wanderten in ein Konzentrationslager.  ...
Ich stand vor den weißen Soldaten, nicht weit vom Kapuzenmann entfernt. Er fragte, ob ich Englisch verstünde, und ich antwortete Ja, weil ich darauf hoffte, dass das seine Anerkennung finden würde. …
'Sind alle Brüder zu Hause? Was machen sie?'
'Zwei arbeiten für die Regierung', sagte ich … Einer, Joseph Kabae, war bei den KAR, Soldat im Zweiten Weltkrieg für King George', fügte ich hinzu, um ihn mit unseren Verbindungen zu den Briten zu beeindrucken.
Aber ich hatte vergessen, 'Effendi' zu sagen. Den Schlag ins Gesicht fühlte ich mehr, als ich ihn kommen sah. …
Er unterhielt sich wieder mit dem Kapuzenmann. … Als er zurückkam, winkte er mich zur Gruppe der Üblen hinüber, denen man bald erlauben würde zu gehen.
… Schweigend liefen Kenneth und ich nach Hause. … Selbst als wir hinter uns Schüsse und Schreie hörten, blickten wir nicht zurück. Ich erfuhr nie, was mit denen passiert war, die zurückbleiben mussten. Wir konnten nur raten, behielten aber unsere Mutmaßungen für uns.
Trotzdem stand fest, dass der Mann unter dem Umhang ein Einwohner von Limuru war, vielleicht sogar ein Nachbar der Menschen, die er ins Lager oder in den Tod schickte.”

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Anm.: 

"Eugenics Society" - s. auch Zettelkasten Eugenik http://guttmensch.blogspot.com/ (Stichwortsuche)

"Royal Charter" in der damaligen britischen Kolonie Kenia und "Indian Removal Act" in den USA beruhen auf der gleichen - eugenischen - Ideologie, als angebliche Wissenschaft verbreitet von Francis Galtons Biograf Karl Pearson: "Fittere" Völker hätten das Recht und die biologische Pflicht, vermeintlich weniger tüchtigen, von der Natur zum Untergang bestimmten Völkern deren Lebensgrundlagen zu entziehen.

Ueber das Konzept der indirekten Herrschaft ("indirect rule") und seinen "Erfinder" Lugard Auszege aus einer anderen Quelle (liegt nur in Englisch vor, aus Zeitgruenden hier ohne Uebersetzung):
Part 3: Colonialism and Its Critics
Worger, W.H. et al (edts), Africa and the West (Phoenix, 2001)

Seite 241/ 242, Auszug 

"The most famous theoretician of British colonial rule was Frederick Lugard, the same man who had been so enthusiastic about commercial empire in East Africa and who went on to govern Britain's largest possession by far in West Africa, Nigeria, for most of the first three decades of the twentieth century. Lugard's name has become synonymous with the theory of indirect rule, the process by which a very few Europeans would supposedly use indigenous institutions and practices to rule vast numbers of Africans. Over time, the memoranda that Lugard wrote to his officers regarding their duties became a sort of "bible" of colonial practice. As the following extracts demonstrate, there are clear links to the ideas developed by Shepstone and implemented by Wolseley decades earlier in Natal. As with their system, also, though rule is meant to be "indirect, .. the governor is always given the powers of an autocrat and in the final analysis, colonial control rests on a readiness to use armed force to crush all opposition."

Seite 241 (oben), Auszug
"...Q.: "How do you know it was the white men themselves who ordered these cruel things to be done to you? These things must have been done without the white men's knowledge by the black soldiers."
    A (P.P.): "The white men told their soldiers: 'You kill only women; you cannot kill men. You must prove that you kill men.' So then the soldiers when they killed us" (here he stopped and hesitated, and then pointing to the private parts of my bulldog - it was lying asleep at my feet) he said: "then they cut off those things and took them to the white men, who said: 'It is true, you have killed men.'" ..."

Anknuepfung zu Lugard und seinem Konzept der indirekten Herrschaft auf diesem Blog:
http://zettelmaus.blogspot.com/2011/10/frederick-lugard-und-die-strategie-der.html

 
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Die beiden Churchills

Er war stolz darauf, in Pakistan an der Zerstoerung ganzer Doerfer beteiligt gewesen zu sein und in einem Dorf im Sudan "wenigstens drei Wilde" eigenhaendig erschossen zu haben. Als in Suedafrika die ersten Konzentrationslager gebaut wurden, meinte er, damit wuerde das geringstmoegliche Leiden verursacht. Mindestens 115.000 Menschen wurden dort hineingeworfen und 14.000 starben, aber er schrieb nur, wie irritierend es sei, "dass Kaffer auf weisse Menschen schiessen duerfen". Das sei gewesen, bevor Krieg "degenerierte", schrieb er spaeter. Es haette Spass gemacht, "herum zu galoppieren". (Nach Informationen aus der NYT Buchbesprechung unten.)

Winston Churchill war vom kolonial-eugenischen Denken gepraegt. Fuer den militaerischen Sieg ueber die Nazis war er eine entscheidende Figur. Aber haette die Nazi-Ideologie ueberhaupt einen Naehrboden gefunden, wenn das kolonial-eugenische Denken nicht ein Vorlaeufer gewesen waere?

Es duerfte kaum verwundern, dass Barack Obama, Sohn eines kenianischen Vaters, als Praesident der Vereinigten Staaten von Amerika fuer Churchill als Vorbild nicht die gleiche Begeisterung aufbringt wie sein Vorgaenger George W. Bush. (Dies wird in der genannten NYT Buchbesprechung ebenfalls erwaehnt; s. Link.)


The New York Times, Sunday Book Review: The Two Churchills. By JOHANN HARI. Published: August 12, 2010
Review of: “Churchill’s Empire” by Richard Toye

Auszug:
"He gladly took part in raids that laid waste to whole valleys, writing: “We proceeded systematically, village by village, and we destroyed the houses, filled up the wells, blew down the towers, cut down the shady trees, burned the crops and broke the reservoirs in punitive devastation.” He then sped off to help reconquer the Sudan, where he bragged that he personally shot at least three “savages.”
The young Churchill charged through imperial atrocities, defending each in turn. When the first concentration camps were built in South Africa, he said they produced “the minimum of suffering” possible. At least 115,000 people were swept into them and 14,000 died, but he wrote only of his “irritation that kaffirs should be allowed to fire on white men.” Later, he boasted of his experiences. “That was before war degenerated,” he said. “It was great fun galloping about.” "
  
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Insassen eines Gefangenenlagers in Kenia waehrend der Kolonialzeit
http://www.irlandinit-hd.de/sub_misc/oliver_kap6.htm


Zu Vorlaeufern des Konzentrationslager-Systems in der deutschen Kolonie Suedwest-Afrika (mit Bezuegen zur Eugenik-Ideologie und zur "Rassenhygiene" der Nazis) siehe z.B.