Friedensforschung mit der Maus

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Freitag, 6. April 2012

Bündnis-Solidarität: An Zielen orientiert oder Ziel in sich selbst?

Die NATO hat einige Gründe, sich zu gratulieren, findet der Economist (Ausgabe 31. März bis 6. April 2012., Auszug s. unten). Hervorgehobenes Beispiel: Im Großen und Ganzen sind die Mitgliedsstaaten, aus Solidaritität mit den USA, bei einer undankbaren Aufgabe in Afghanistan kleben geblieben. („By and large, member countries have stuck with a thankless task in Afghanistan out of solidarity with America“). Gut, man kann „stuck with“ statt mit „kleben geblieben“ auch mit „durchgehalten“ oder  „bei der Stange geblieben“ übersetzen; dann klingt es mehr nach Entschlossenheit als nach Ratlosigkeit. Aber es handelt sich um eine undankbare Aufgabe, bei der Einsatz und Ergebnis nicht in einem überzeugenden Verhältnis stehen – das meinen sogar die Befürworter des Kriegseinsatzes, zu denen die Autoren des Economist-Artikels zweifellos zu rechnen sind.


Hätte es sich ausgezahlt, nicht-militärische Komponenten, oder Alternativen, der internationalen Terrorbekämpfung noch viel besser zu durchdenken und gezielter einzusetzen? Es ist sicher nicht weit her geholt, das anzunehmen. Für den Einsatz in Afghanistan wurden Milliarden in Panzer und Bomben investiert, aber elementare zivile Maßnahmen, wie das Schaffen von Arbeitsplätzen, um Selbsthilfe-Fähigkeiten zu stärken und die Abhängigkeit der Gemeinden von örtlichen Kriegsherren (warlords) zu verringern, kamen allenfalls als zivile Garnitur auf den militärischen Kuchen. Nun stehen nicht einmal genügend Mittel bereit, um einheimische Sicherheitskräfte nach dem Abzug der US- und verbündeten Truppen annähernd auskömmlich zu bezahlen und in halbwegs funktionierende Verantwortungsstrukturen einzubinden. Und nicht nur das: In etlichen der Truppen-entsendenden Ländern selbst wurden Investitionen in öffentliche Dienste im letzten Jahrzehnt (noch) weiter zurück gefahren. Dabei wurde wenig Aufmerksamkeit darauf verwandt, dass ein großer Teil der Terrorbekämpfung in der Aufrechterhaltung einer Basis-Infrastruktur besteht, die auch in Alltagssituationen zur Verfügung steht, Erfordernisse der Prävention und Reaktionsbereitschaft berücksichtigt und in Notfallsituation schnell hochgefahren werden kann. So war das reiche Norwegen, einerseits ein wichtiger und militärisch starker NATO-Partner, andererseits nicht in der Lage, während des Terroranschlags im Juli 2011 nach den ersten Notrufen von der Insel Utoya sofort ein Polizeiboot dorthin zu schicken - es stand keines zur Verfügung. Wertvolle Zeit verging, bis der Täter gestoppt werden konnte.


Der Artikel im Economist steht in einer langen Tradition der Selbstverständlichkeit des Krieges als Antwort auf Terroristen- und Partisanenanschläge, als Mittel der Politikgestaltung und als Automatismus zum Ausdruck von Bündnis-Solidarität. Es ist noch immer ein weites Stück Weg zurückzulegen, bis an die Stelle von Automatismen informierte Analysen und Strategien der Staatengemeinschaft treten. 

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"Militärisches Gewicht gilt noch etwas in der Geopolitik des 21. Jahrhunderts": Auszug aus dem oben zitierten Economist-Artikel

"The future of NATO: Bad timing
An Atlantic alliance with less ambitions looks inevitable; but it should not be allowed to fade away
As it heads towards a summit in Chicago in May, NATO finds itself in a paradoxical position. There are quite a few ground for self-congratulation. By and large, member countries have stuck with a thankless task in Afghanistan out of solidarity with America. ….(Further successes: Lybia, and at least 4 countries queuing up to join the alliance: Macedonia, Bosnia, Montenegro and Georgia). 
Yet despite despite these successes, NATO is facing an uncertain future. … The first (threatening development) is the Obama administration's declaration … that coping with China's rising military power and reassuring allies in Asia would take priority over Europe. With Europe increasingly seen by America as a „producer“ rather than a „consumer“ of security, the second worry is that the economic crisis within the euro zone leaves NATO's European members less able to play their part.
Fiscal austerity, combined with an with an assumption that Europe faces few real threats to its security, means that defence budgets, already pared to the bone, face further cuts. When the cold war ended, European countries accounted for 34 % of NATO's military spending. Today this has fallen to 21 %. Apart from America, only four of 28 members meet the alliance's defence spending target of 2 % of GDP: Britain, France, Greece and Albania. …
Despite the wish of some NATO members that it might be otherwise, military clout still counts for something in the 21st-centrury geopolitics. …
The dream of a „global NATO“, that recruits partners from all over the world and intervenes where trouble rears its head, flowered a few years ago, but has since wilted. Once its troops are out of Afghanistan, the alliance should revert to its regional roots. 
It is up to the countries that gain most from – and yes, that does include Germany – to summon up the will and the cash to back it up. Otherwise NATO will fade away."

The Economist, March 31st – April 6th 2012, pp. 19-20

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Militärisches Ziel: Frauenrechte?



Aesha Mohammadzai, in den Medien meist  “Bibi Aisha” genannt, ist die junge Frau aus Afghanistan, deren Nase und Ohren abgeschnitten wurden, weil sie ihren in Pakistan lebenden Mann und ihre Schwiegerfamilie wegen grausamer Behandlung verlassen wollte.  
Beim Militaer-Einsatz in Afghanistan geht es darum, Frauen eine Zukunft zu geben und sie vor einem Schicksal zu schuetzen, wie es “Bibi Aisha” erlitten hat.  Deshalb muss er weitergehen. Das versichert Heiner Geissler (Focus vom 5.3.2012), und das entspricht der Botschaft vom “Time Magazine” vom 9. August 2010. Time hatte das Foto der schoenen, vestuemmelten jungen Frau zusammen mit der Schlagzeile veroeffentlicht: “Was passiert, wenn wir aus Afghanistan abziehen”. 
Bevor diese grausame Tat geschah, hatte Aesha mehrere Monate im Gefaengnis verbracht – wegen Weglaufens von ihrem Ehemann. Praesident Karzai persoenlich hatte veranlasst, dass ihre Gefaengnisstrafe auf “nur” fuenf Monate reduziert wurde. Erst nachdem sich Aesha nach der Tat blutend und dem Tode nahe zum Hause ihres Grossvaters geschleppt hatte und von Angehoerigen ihrer Herkunftsfamilie zu einer US Militaerstation gebracht wurde, fand sie Hilfe.
Der Schwiegervater, der sie waehrend der Verstuemmelung festgehalten hatte und als einziger der Taeter zeitweise in Polizeigewahrsam war, ist inzwischen wieder auf freiem Fuss.  Aesha lebt in Gastfamilien in den USA. Die in den Medien (auch im “Focus”) oft euphemistisch erwaehnte “neue Nase” ist eine Prothese, die sie nur hin und wieder traegt; die in Aussicht gestellte Rekonstruktion wurde auf unbestimmte Zeit verschoben. 

  • Wenn Schutz und Foerderung der Frauen das Ziel des Afghanistan-Einsatzes sind, warum lesen wir dann nicht auch eine Analyse und Strategie, mit welchen Mitteln dies am besten erreicht wird? Stimmt das Verhaeltnis von militaerischen und zivilen Aufwendungen; welche Rolle spielen die Frauenrechte bei der Planung und Auswertung von Militaereinsaetzen?
  • Welchen Einfluss haben Fundamentalisten aus Saudi Arabien und Pakistan in Afghanistan, und welche Prioritaet hat das Thema “geschlechtsspezifische Gewalt” im politischen Dialog und in der Zusammenarbeit mit allen drei Laendern? 
  • Stehen ISAF-Verbuendete wie der beruechtigte Stammesfuehrer Abdul Rashid Dostum oder selbst Praesident Karzai fuer die Rechte der Frauen – oder haben nicht doch andere Interessen Vorrang?
    (Vgl. auch Annaeherungen an die Taliban, z.B. angebliches Angebot Karzais an Mullah Omar, sich um die Praesidentschaft zu bewerben  
    http://timesofindia.indiatimes.com/world/pakistan/Karzai-offer-to-Taliban-chief-Omar-Run-for-Afghan-president/articleshow/14858400.cms ; "alte" Verbindungen zwischen Taliban und der Oelfirma UNOCAL; siehe z.B. http://news.bbc.co.uk/2/hi/world/west_asia/37021.stm )

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Militärisches Ziel: Schutz vor Terrorismus?



Vorrang des Militärischen vor dem Nicht-Militärischen;
Beispiel:




Hubschrauber NH90-NFH, 
eingesetzt u.a. von der norwegischen Luftwaffe
zur Verteidigung am Hindukusch 
(Bildquelle: defenseindustry daily)



Bei den Anschlägen in Norwegen fehlte es der Polizei
an schnell einsatzfähigen Hubschraubern und Booten
(Bild: stern.de)


Wo bleiben klare Ziele fuer die Vorbeugung und Bekämpfung des Terrorismus?
An welchen Analysen und Zielen sind die Strategien orientiert?
Wie wird über Ergebnisse Rechenschaft abgelegt?

Siehe auch den Post "Militärische und nicht-militärische Maßnahmen zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus"http://zettelmaus.blogspot.com/2012/04/militaerische-und-nicht-militaerische.html

12 Kommentare:

  1. Aktivitaeten einer chinesischen Minenfirma gefaehrden Buddha-Statuen in Afghanistan - die oeffentliche Aufmerksamkeit ist begrenzt

    http://www.nytimes.com/video/2013/04/23/opinion/100000002181426/chinas-threat-to-afghan-buddhas.html?WT.mc_id=VI-D-E-OB-AD-VAR-VIDEO-PD-0413-NA&WT.mc_ev=click#100000002181426

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    1. Baufirma zerstoert "mal eben so" 2.300 Jahre alte Maya-Pyramide in Belize, Zentralamerika

      "BELIZE CITY (AP) — A construction company has essentially destroyed one of Belize's largest Mayan pyramids with backhoes and bulldozers to extract crushed rock for a road-building project, authorities announced on Monday.
      The head of the Belize Institute of Archaeology, Jaime Awe, said the destruction at the Nohmul complex in northern Belize was detected late last week. The ceremonial center dates back at least 2,300 years and is the most important site in northern Belize, near the border with Mexico."

      http://news.yahoo.com/builders-bulldoze-big-mayan-pyramid-belize-225012836.html

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    2. In beiden Faellen:
      Kein Vergleich mit der internationalen Aufmerksamkeit zur Zerstoerung der Buddha-Statuen in Afghanistan durch Taliban. -
      Weil es nur spannend ist, wenn Militaerinvasion ansteht?

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  2. Schutz der Frauen als Kriegsziel in Afghanistan?

    "Vom ersten Tag des Krieges an war offensichtlich, daß die USA nicht die Absicht hatten, die Frauen Afghanistans zu schützen und zu unterstützen. Stattdessen war es ihr Ziel, "die größten Feinde der Frauen im Land zu unterstützen". Die USA unterstützten die Nordallianz - ein übles Bündnis aus Warlords, die gegen die
    Taliban waren. Wie ihre Vorgänger (die Taliban) waren auch die Warlords für ihre Folterpraktiken berüchtigt. Vergewaltigungen waren für sie eine Waffe, um die Bevölkerung zu terrorisieren. Die afghanische Autorin und Sozialaktivistin Malalai Dschoja (oder Joya), die Stimme des anderen, verborgenen Afghanistan
    schreibt: "Auch Männer wurden zu Vergewaltigungsopfern... selbst Kinder im Alter von vier Jahren (wurden) vergewaltigt". ... Als die Taliban unter den Bomben der Amerikaner flohen, besetzte die Nordallianz Kabul. Wenn Afghanistan heute ein "gescheiterter Staat" ist, so Dschoja, "dann liegt das daran, daß die Warlords,
    die unser Land schon zuvor im Stich gelassen hatten, wieder an die Macht gekommen sind". ... Die meisten Menschen im Westen glauben, daß die "schlimme Unterdrückung der Frauen unter der Herrschaft der Taliban begann" (1996-2001), so Dschoja. "Aber das ist eine Lüge". Die Haupttäter - bei der chronischen
    Unterdrückung der Frauen Afghanistans - seien die Warlords, die in Afghanistan sowohl vor den Taliban als auch nach den Taliban dominant gewesen seien und heute die größte Stütze der Regierung Karsai darstellten. Die "schlimmsten Gräuel... wurden während des Bürgerkrieges (in den 90ger Jahren) begangen - von Männern, die heute an der Macht sind", so Dschoja. Die in weiten Kreisen
    verhasste Burka - der Ganzkörperschleier - wird, als Symbol der Unterdrückung, häufig mit den Taliban in Verbindung gebracht. Doch Dschoja bezeugt, daß afghanische Frauen selbst heute noch "gezwungen sind, die Burka zu tragen - aus
    Angst, entführt, vergewaltigt oder ermordet" zu werden. ... Malalai Dschoja sieht das heutige Afghanistan "eingeklemmt zwischen zwei Feinden: den Taliban auf der einen und den Truppen der USA/Nato und deren Warlords auf der anderen
    Seite." ... Was die Rolle der USA und der Nato betrifft, so ist Dschojas Meinung klar: Sie "brachten die Kriegsherren und Drogenbarone an die Macht", schreibt sie. Obamas Entscheidung, 30000 zusätzliche US-Soldaten nach Afghanistan zu entsenden, ist für sie "die Fortsetzung der Bush-Politik". Malalai Dschoja
    drückt es so aus: "Der Esel ist derselbe geblieben, nur der Sattel ist neu". "

    Tadema
    10.01.2010

    http://www.tadema.de/2010/10_01_04.html

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  3. BloggerMagga
    vor 4 Minuten

    48. Ut aliquid fiat -

    Damit irgendetwas getan werde!

    Da Sie einen Vergleich aus der Medizin anbringen ("Krebsgeschwür"), fiel mir dieses Schlagwort aus der medizinischen Praxis ein.

    "Irgendetwas zu tun", um überhaupt etwas zu tun, wenn man nicht vernünftig einschätzen kann, was hilft oder schadet, ist abzuwägen mit dem ersten Grundsatz ärztlichen Eingreifens: "Nil nocere"; nicht schaden.

    In früheren Jahrhunderten waren zB Aderlässe als Standardtherapie beliebt: Wenn die Ärzte nicht wussten, was helfen würde, mussten sie wenigstens etwas Spektakuläres tun - ut aliquid fiat.
    Heute wird großer Wert darauf gelegt, dass ärztliche und pflegerische Versorgung evidenzbasiert sind; dass also Wirksamkeit und Schädlichkeit von Maßnahmen nach bestmöglicher Untersuchung dem Stand der Wissenschaft entsprechend verantwortungsvoll abgeschätzt werden.

    Im Umgang mit Konflikt und Gewalt scheinen wir noch nicht so weit zu sein, dass überhaupt Abläufe für ein evidenzbasiertes Vorgehen entwickelt wurden. Zum Beispiel könnten das Abschneiden bestimmter Finanzströme und die Förderung positiver Wirtschaftskreisläufe gegen Terrorismus wirksamer sein als der Einsatz tödlicher Waffen, von denen man nicht weiß, wen sie letzten Endes treffen. Aber tödliche Waffen einsetzen oder zumindest liefern, das ist eben das Spektakuläre; damit hat man gezeigt, dass man zumindest etwas getan hat.

    „Irgendetwas tun“ ist nicht unbedingt besser als „Nichts tun“. Es kommt darauf an, nach bestmöglicher Einschätzung das Richtige zu tun.

    Antwort auf "Vielen Dank, ihr tapferen Amerikaner!"

    http://www.zeit.de/politik/ausland/2014-08/islamischer-staat-irak-syrien?commentstart=41#cid-3842467

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  4. "Damit müssen Angehörige der Bundeswehr, die im Auslandseinsatz unsere Aufträge ausführen, nicht länger befürchten, dass ihr Verhalten in bewaffneten
    Konflikten auf der Grundlage des deutschen Strafgesetzbuches beurteilt wird. Für genau diesen Zweck gibt es das Völkerstrafgesetzbuch."

    Thomas Silberhorn (CDU/CSU)
    Plenarprotokoll 17/30, Deutscher Bundestag, Stenografischer Bericht, 30. Sitzung
    Berlin, 17. März 2010

    https://www.cducsu.de/sites/default/files/17030.pdf

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    1. Die Schwelle fuer eine Anklage wegen Kriegsverbrechens ist allerdings sehr hoch, weil automatisch politische Aspekte zu beruecksichtigen sind, Praktisch kann dies bedeuten, dass Soldaten in Afghanistan in einem de facto rechtsfreien Raum agieren.

      Aus
      Der Generalbundesanwalt und das Voelkerstrafgesetzbuch
      Ein Blog-Beitrag von Freitag-Community-Teich
      11.05.2010
      Was Nescovic von der Generalbundesanwaeltin erwartete, war, durch ein aufwendigeres laengeres Ermittlungsverfahren und/oder eine Anklage des Taeters von Kundus wegen eines Kriegsverbrechens die Stimmung gegen die deutsche Beteiligung an dem Krieg in Afghanistan zu verstaerken.
      Richtig ist aber, dass der politische Nutzen der Verfahrenseinstellung für die Bundesregierung zu diesem Zeitpunkt unübersehbar war. Eine Anklage wäre vermutlich der Anfang vom politischen Ende des Afghanistan-Einsatzes gewesen. War der Tod von vier Soldaten politisch schon schwer verkraftbar, so hätte eine Anklage wegen eines Kriegsverbrechens die politische Belastungsgrenze überschreiten können. ...

      https://www.freitag.de/autoren/fritz-teich/der-generalbundesanwalt-und-das-voelkerstrafgesetzbuch

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    2. Bundeswehreinsatz in Afghanistan
      Die Schuld des Oberst

      Der Fall Kundus: Die Tötung von Zivilisten im Krieg ist kaum strafbar – aber dennoch Unrecht von Reinhard Merkel
      DIE ZEIT Nº 04/2010
      28. Januar 2010

      ... Deutschland unterstützt die afghanische Regierung militärisch in einem Bürgerkrieg. Dort wird getötet: gezielt, aggressiv und von allen Beteiligten.

      Das humanitäre Völkerrecht – kein ethischer Kodex, sondern eine rationale Vertragsordnung zum wechselseitigen Vorteil Krieg führender Staaten – erlaubt das in gewissen Grenzen. In Zeiten und Regionen bewaffneter Konflikte gewährleistet es nicht etwa, sondern verdrängt es die Schutzstandards selbst der universalen Menschenrechte. Zu ihnen gehört das Recht auf Leben.

      Nehmen wir unbesehen an, wofür vieles spricht: Die gezielte Tötung der aufständischen Kämpfer durch den Luftschlag von Kundus war nach geltendem Völkerrecht erlaubt. War es auch die "kollaterale" Tötung der über 80 am Zielort anwesenden afghanischen Zivilisten? Ja, sagen viele Völkerrechtler. Denn bei einem Angriff gegen legitime Ziele verbiete das Erste Zusatzprotokoll zu den Genfer Rotkreuz-Abkommen von 1949 in seinem Artikel 51 die in Kauf genommene Tötung ziviler Opfer nur, soweit sie zum erwarteten militärischen Vorteil "in keinem Verhältnis" stehe. Davon könne hier keine Rede sein: erstens schon grundsätzlich nicht und zweitens, weil Oberst Klein, der den Angriffsbefehl gab, von der Anwesenheit der Zivilisten nicht gewusst habe. ...

      Wann steht die Tötung Unbeteiligter "außer Verhältnis" zu einem legitimen militärischen Ziel? Die ehrliche Antwort ist, dass es keine Antwort gibt. Diesseits schlechterdings unerträglicher Fälle eines sinn- und maßlosen Opferns von Zivilisten wird sich jedenfalls mit dem Staat, dem der tödliche Angriff zuzurechnen ist, über dessen Unverhältnismäßigkeit kein Konsens finden lassen. Das liegt in der Natur dieser Abwägung: Es gibt keine objektiven Kriterien, mit denen sich der Wert eines, zweier, vieler Menschenleben mit dem strategischen Zweck eines Angriffs vergleichbar machen ließe.

      Die meisten Völkerrechtler leugnen das nicht. Die Frage "exzessiver" Kollateraltötungen als Folge eines im Übrigen legitimen Angriffs müsse deshalb zuletzt der subjektiven Beurteilung des Angreifers überlassen bleiben. Aber ein Verbot, das die Feststellung der Voraussetzungen seiner Anwendbarkeit dem Urteil seines Adressaten anheimgibt, verbietet diesem in Wahrheit gar nichts. ...

      Noch kein Staat hat je erklärt, er schere sich beim Töten Unbeteiligter nicht um das Gebot der Verhältnismäßigkeit; sondern: Er habe es eingehalten.

      Damit bleibt als Normfunktion ein moralischer Appell. Das ist nicht wenig, aber ein Instrument zur verbindlichen Klärung konkreter Fälle ist es nicht. ...

      http://www.zeit.de/2010/04/P-oped

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    3. Afghanistan
      How the 'Kunduz spa resort' turned into a Taliban den
      Deutsche Welle 29.04.2015
      Author Florian Weigand / gd

      The northern Afghan city of Kunduz is a symbol for Germany. It was meant to be a showcase project of German development policy. But the early signs of success weren't enough to prevent the West's failure in the region. ...

      The city was transformed. Roads which used to be riddled with bomb craters from previous wars were now repaired. Schools were built and health and teacher training centers were established. Workshops were held regularly on peace building and the promotion of small enterprises.

      But the relative calm and tranquility came to an abrupt end in 2007 when a suicide bomber killed three German soldiers in a downtown market. Two years later, the controversial decision by the local German commander, Colonel Georg Klein, to order the bombing of two oil tankers made world headlines. The two trucks had apparently been hijacked by the Taliban and the officer was afraid they would be used as potential bombs against the German camp. Dozens of civilians were killed as a result of the air strike.

      Subsequently, Kunduz came more and more under enemy fire. For instance, the Bundeswehr became increasingly entangled in firefights with the Taliban. A total of 18 Germans soldiers were killed during the German presence in the area. "Like no other place, Kunduz has left a mark on the Bundeswehr. It was here that people built up and fought, cried and comforted, killed and died," said then German Defense Minister Thomas de Maizière as the Bundeswehr ended its mission in October 2013. ...

      Germany's Parliamentary State Secretary to the Federal Minister for Economic Cooperation and Development, Thomas Silberhorn, spoke of "impressive developmental success" in when he visited northern Afghanistan in February.

      Meanwhile, the Taliban are gaining strength by the day. Kunduz carries a symbolic significance for the militants. Until the fall of their government in 2001, the city was Taliban's stronghold in northern Afghanistan. After a decade of NATO's presence in the city, its conquest would be very prestigious for the Islamists.

      Soon after the withdrawal of German troops from Kunduz, the reports started to emerge that the group was getting active in the province again. In a symbolic act last summer, the militants hoisted their flag on former German army base after temporarily capturing it.

      In the fall, ARD's Marc Thörner reported that the Taliban had established a shadow government with shariah courts in the area around Kunduz. Last week, the provincial governor warned the city could fall to the insurgents. Now the fighting rages on in Gul Tepa village near Kunduz, where a German NGO had built a school in 2005. ...

      http://www.dw.de/how-the-kunduz-spa-resort-turned-into-a-taliban-den/a-18418951

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  5. After daughter's mob killing, Afghan family lives in fear
    Associated Press
    By LYNNE O'DONNELL
    17 hours ago


    KABUL, Afghanistan (AP) — The family of an Afghan woman killed by a frenzied mob in an attack that shocked the world with its brutality is living in isolation and fear as they wait for justice they believe will never come.

    Since Farkhunda Malikzada was killed on March 19, life has come to a standstill for those she left behind, said her father, 72-year-old Mohammad Nader Malikzada.

    "We cannot live a normal life, our children cannot go to school or college, we can't even go shopping," he told The Associated Press. "We are under such psychological pressure. It is hell in this house,"

    His despair was compounded this month when Afghanistan's Primary Court released 37 of the 49 people convicted of Farkhunda's murder pending their appeals against sentences the family has said are too light.

    After a peddler at a Kabul shrine falsely accused Farkhunda of burning a Quran, a mob attacked her as police watched. After punching, kicking and beating her with wooden planks, the crowd threw her from a roof, ran over her with a car and crushed her with a block of concrete. They then set her body alight on the bank of the Kabul River.

    Footage of the attack captured on cellphones circulated online, and the killing fueled widespread outrage. Protesters demanding women's rights and judicial reform carried posters showing Farkhunda's bloody face and held candlelight vigils. Her killing was re-enacted outside the shrine on the 40th day of her death by activists determined to keep her memory alive.

    But in the months since then, Farkhunda's family — elderly parents and most of her seven sisters and two brothers, their wives and children — say they have been neglected by those who sought to use her name to further their own interests.

    Fearing violence, kidnapping, or retribution from police or members of the mob who have been released, they rarely leave the house. The adults don't go to work, and the children no longer go to school or university. ...

    Farkhunda's mother Bibi Hajira, said she feels their lives are in constant danger. "We want to see justice and we want to be moved to a safe place," she said. "I don't have power or money to fight for it."

    In the days after Farkhunda's murder, family members met with First Lady Rula Ghani, who said the "horrible, barbaric tragedy" had highlighted how violent Afghan society has become after more than 30 years of war.

    At the murder trial, four people were found guilty and sentenced to death. Charges against 18 men were dropped for lack of evidence, and eight others were sentenced to 16 years in prison. Of 19 policemen charged with dereliction of duty, eight were acquitted due to lack of evidence, and 11 were sentenced to one year in prison. This month, the Appeals Court upheld a decision to release 37 defendants ahead of their appeals.

    "These decisions are completely unacceptable," said Mohammad. "Anyone who witnessed this brutal killing of an innocent girl and stood by and did nothing, they are also guilty," he said. "All these people have been freed, others who were clearly involved have not been arrested."

    The Malikzada family has meanwhile retreated into the agony of their loss. "We don't eat, we don't sleep, we cry," said Mohammad. "If at mealtime we remember that Farkhunda liked what we're eating, we can't eat anymore, we just cry."

    http://news.yahoo.com/daughters-mob-killing-afghan-family-lives-fear-070631546.html

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  6. BloggerMagga
    #2.24 — 01.06.2017

    "Hat die US-Präsenz in Europa erfolgreich zur Abschreckung ... beigetragen? Ja.
    Deshalb und nur deshalb machen wir solchen Blödsinn wie in Afghanistan oder anderen Regionen mit, damit das Bündnis hält; denn das mit den Soloaktionen hatten wir schon zweimal."

    Damit haben Sie die Maxime "Hauptsache Bündnistreue, egal bei welchem 'Blödsinn'" auf den Punkt gebracht. Und da sieht man auch, welchen Einfluss es hat, welche Aspekte in der Geschichtsanalyse beleuchtet werden und welche nicht.

    Hat uns tatsächlich das Wettrüsten vor einem 3. Weltkrieg geschützt, oder haben wir mehr Glück als Verstand gehabt? Und was hat es mit der These vom deutschen Sonderweg tatsächlich auf sich? Vor beiden Weltkriegen war Deutschland, was wenig thematisiert wird, als eine wichtige Kraft zur Verteidigung westlicher Interessen in militärische Zusammenarbeit eingebunden.

    Das brutale Vorgehen deutscher Truppen bei der Niederschlagung des „Boxeraufstands“ in China brachte Kaiser Wilhelm internationale Anerkennung ein. Bereits 14 Jahre nach seiner später berüchtigten "Hunnenrede" führte die Dynamik der Aufrüstung und der militaristischen Denkmuster in die „Urkatastrophe“ des 1. Weltkriegs. Nun war das zuvor geschätzte Bild des „tapferen“ Hunnen die hässliche Fratze der Barbarei.

    Nazi-Deutschland galt in einflussreichen Kreisen als "Bollwerk gegen den Bolschewismus", hatte ein Flottenabkommen mit dem Vereinigten Königreich und Gastteilnehmer aus den USA an der wiedereröffneten Kriegsakademie.

    Antwort auf #2.23 von NochNeMeinung

    http://www.zeit.de/politik/deutschland/2017-05/transatlantische-beziehungen-usa-deutschland-sigmar-gabriel?cid=13277633#cid-13277633

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  7. The Alliance contract was created April 4, 1949. In addition to the stated in the Treaty of "collective defense" vneglasnoy purpose of the organization was growing confrontation might of the USSR — the favorite in the second world war. The initiative of the Soviet Union to join the "defense" NATO in 1954 was predictably rejected, in response to Moscow West confrontation has made the company the Warsaw contract.

    http://survincity.com/2013/04/nato-produced-by-the-nazis/

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